Reihe Prosa

Album I

von

Der Zeit irgendwie hinterherkommen. Welche Sprache hat die Erinnerung? Der tägliche Spazier gang ins Gedächtnis, draußen zappeln die Pappeln, ein Ameisennest, wimmelnd ringsumher aus den Kaufhäusern … „In einem Heft verzeichnen wir das Beste & das Schlechteste eines Lebens“, schreibt Edmond Jabès. „Wir tun nichts anderes als eine Geschichte mit Wörtern zu verlängern.“ Wann das alles begann?
Es beginnt grade – poetische Freuden, poetischer Nachmittag; wir schreiben Samstag. Auf überlieferten Zetteln knirschen verwanzte Betten aus einem Weltkrieg; im Stadtviertel gegenüber gleicht der hochgezogene Neubau einer Prothese. Die Hortensie fiebert. Ich wollte mein Fühlen ausdrücken? Nun habe ich mich verloren?
Es ist ganz leicht, endlich. Ein Album, das sich wie von alleine öffnet. Was findet sich unter Stunden? Tastend in alle Richtungen zugleich, zwischen Taläckerstraße & Roßmarkt an den turtelnden Glascontainern vorbei. Biografie? Asymptote? Ein Wort, das Verwandlung wird, Handlung? Alle Städte zugleich. Lustvoll hebt sich die Vogelspinne aus ihrem Pigmentbild, webt sich in Versäumnissen ein. Reisen in vergangene Jahre, bis sich widersprüchliche Kindheiten, aufgetürmt, als Einheit verwechseln. Einige taube Philosophien hüpfen als zwitschernde Vögel durchs Gleisbett. Der Zug kommt. Steigen wir auf …
Doch die Reise anerkennt kein Ziel. Sie verliert sich in Zeit – vielleicht aus einer Art Irrglauben heraus, einem Misstrauen, ob Welt nicht ganz anders sei. Tausendmal gesagte Sachen wieder von vorn, ja doch, Gewalt ist ohne Ausdruck. Eine Sekunde lässt sich nicht vernünftig denken.
— Robert Stripling