Ritzelwellen

Gedichte

von

Die Poesie, sagt Jean-Pierre Siméon sinngemäß, ist der ständige Aufstand des Bewußtseins gegen das Vergessen. Gedichte sind deshalb unersättlich neugierig, sie möchten sich am liebsten alles (und alles auf einmal) einverleiben. Vielleicht wurden Reim und Metrum nicht nur zum Beweis der Kunstfertigkeit erfunden, sondern auch, um diese Neugier zu bändigen. Daß tiefste Bedeutungen in wenigen Silben Platz finden können, haben die chinesischen und japanischen Dichter gezeigt. Das globale Gedicht sucht den großen Zusammenhang. Doch wieviel paßt hinein, ohne daß man Unförmigkeit oder Unverständlichkeit riskiert? Und nach welchem Maß? Das Gedicht sollte beweglich und verständlich bleiben und sich gleichzeitig gegenüber Leserinnen und Lesern, die mehr ›Tiefenschichten‹ suchen, offen zeigen.
Jürgen Brôcan