Sämtliche Werke und Briefe

von

Selten hat ein Autor so gegensätzliche weltanschauliche und künstlerische Positionen in sich vereinigt wie Hugo Ball. Begonnen hat er als dissertierender Nietzsche-Adept, wechselte aber kurz vor dem akademischen Abschluß aufs Theater. Es folgte eine Phase als expressionistisch angehauchter Bohème-Literat, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein jähes Ende fand. Ball meldete sich als Freiwilliger, der, als man ihn ausmusterte, auf eigene Faust an die Front fuhr. Dort genügten wenige Tage, um ihn zum Kriegsgegner zu machen, was bald darauf seine Emigration nach Zürich zur Folge hatte. Hier schloß sich Ball zunächst einem Kreis internationaler Anarchisten an, ehe er ein eigenes Cabaret gründete und den Dadaismus erfand. Als dieser neue Ismus Karriere zu machen begann, war Ball schon wieder anderswo: bei der Redaktion einer republikanischen Zeitung, die demokratische Verhältnisse in Deutschland forderte. Die Revolutionen, welche diese erzwangen, enttäuschten ihn jedoch – und Ball wandte sich der Religion zu, zuerst als gnostisch orientierter Mystiker, dann als kirchenfrommer Katholik. Schon für Ball war die Frage drängend, wie all dies zu vereinen und zu erklären ist, und so trug er mehrere Jahre den Plan eines autobiographischen Buches mit sich herum. Aus dem Projekt erwuchs schließlich ‚Die Flucht aus der Zeit‘, erschienen 1927, kurz vor seinem frühen Tod. In diesem Werk zeichnet Ball seine Entwicklung in zahlreichen Notaten, Fragmenten, kurzen Aufzeichnungen und Reflexionen nach. Der fragmentarische Charakter macht die Besonderheit des Buches aus: Hier wird nichts geglättet, sondern man sieht das Denken an der Arbeit. Neben Elias Canettis ‚Provinz des Menschen‘ ist ‚Die Flucht aus der Zeit‘ das große aphoristische Gedankenbuch in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts.