Salz der Erde

12 Geschichten

von ,

Obwohl seit je in Ungarn lebend, ist Péter Nádas ein intimer Kenner deutscher Verhältnisse. Zwei Erzählstränge seines großen Romans «Buch der Erinnerung» spielen in Deutschland: im Ost-Berlin der 1970er Jahre und in Heiligendamm um die Wende zum 20. Jahrhundert.
Ähnliches gilt auch für sein zweites umfangreiches Romanwerk, die «Parallelgeschichten», deren scheinbar unzusammenhängende Kapitel an einer ungarischen und einer deutschen Familie festgemacht sind. Eine ungeheure Anzahl von Details aus der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts sind darin ver woben: beginnend bei den melancholischen Stimmungen eines märkischen Landschaftsbildes von Walter Leistikow über genaueste Informationen zu den grausamen Praktiken von Nazi-Vererbungsforschern
und KZ-Ärzten bis hin zur Situation in Berlin kurz nach dem Mauerfall, wo der Student Döring beim Joggen im Tiergarten unversehens eine unbekannte Leiche findet. Spiegelte das «Buch der Erinnerung» mehr die Erfahrungen aus der DDR und Ost-Berlin, so sind Teile der «Parallelgeschichten» 2002 und 2003 während eines Aufenthaltes
in Berlin-Grunewald entstanden. Ausgangspunkt dieser Texte war jeweils das Zentrum der neueren deutschen Geschichte: Berlin. Nun aber verlegt Nádas seinen Blickwinkel
in eine deutsche Kleinstadt der unmittelbaren Gegenwart.
Auch wenn er beteuert, daß es sich um einen fiktiven Ort handelt, wird man dies dem Großmeister des Mikro-Realismus wohl kaum abnehmen. Überprüfen können wir dies derzeit noch nicht, denn Nádas macht bislang noch ein Geheimnis aus dem Text, von dem
wir nur wissen, daß es sich um zwölf kurze Geschichten handelt, zu denen der 1952 in Budapest geborene Künstler András Forgách Zeichnungen angefertigt hat. Ob diese wohl näheren Aufschluß geben, welche örtlichen Verhältnisse Nádas diesmal im Blick hat?
Darüber darf vorderhand noch gerätselt werden, bis der ungarische Text uns sein Geheimnis preisgibt. Im Frühjahr werden wir und alle leidenschaftlichen Nádas-Leser Genaueres wissen.