Sehen Frauen mehr?

Russische Schriftstellerinnen erkunden die Gegenwart

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Sechs Schriftstellerinnen werfen einen Blick auf ihr russisches Umfeld – mit unerwarteten Ergebnissen. Bei aller Unterschiedlichkeit in den Herangehensweisen der Autorinnen spielen Geschlechterverhältnisse allemal eine wichtige Rolle. Tatjana Nabatnikova macht sich mit einem kühlen analytischen Blick Gedanken über russische Männer, die zwar in die Jahre kommen aber nicht erwachsen werden und über Frauen, die in ihren Mittfünfzigern eine eigene Art von innerer Unabhängigkeit entwickeln. Der Hauptfigur in Olga Novikovas Erzählung gelingt es nicht, die innerlichen Zentrifugalkräfte, die in diesem Lebensalter auf sie einstürmen, zu bündeln. Svetlana Vasilenkos Ich-Erzählerin kommt unter doppelten Druck, denn der gleiche entfremdete, vernichtende Blick mit dem sie ihre Mutter misst, trifft sie selber plötzlich von ihrem kleinen Sohn. Anna Radzivill kontrastiert in ihrer Erzählung die Einstellung von Erwachsenen zur potenziellen Kreativität eines Kindes, wobei sie auch subtil die tragische Geschichte des Landes einfließen lässt. Nina Gorlanova ist bekannt für ihre Miniaturen, die aus Alltagssituationen in der russischen Provinz gegriffen sind und Alltagsmeinungen relativieren. Die jüngste unter den Autorinnen ist Anna Kozlova, die die hoffnungsgeladenen Projektionen ihrer Figuren aufs Korn nimmt und unerwartet zum Implodieren bringt.