Sensitiva amorosa

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Als der Band Sensitiva amorosa 1887 in Schweden erschien, traf er auf plump moralisierende vernichtende Kritik. Eines der schändlichsten Produkte einer entarteten Phantasie, (ver-)urteilte Afton-bladet. Niemand wollte verstehen, daß sich hier eine neue Stimme zu Wort meldete, ein hypersensibler Dichter, der in lyrischer Prosa den feinsten Schwingungen der menschlichen Seele Ausdruck gab. Die Tugendwächter entrüsteten sich vor allem über die Offenheit, mit der die verhängnisvolle Abhängigkeit erotischer Gefühle von Zufällen, vom Augenblick, von kaum zu beeinflussenden Impulsen aus dem Unbewußten analysiert wurde. Auf Unverständnis stieß auch die zum Teil wissenschaftliche Terminologie, mit der Ola Hansson psychische Zustände und Prozesse beschrieb und kommentierte. Die heftige Reaktion auf sein Buch und das als Verrat empfundene Schweigen seiner Freunde trieben den jungen Schriftsteller außer Landes. So verlor Schweden eines der hoffnungsvollsten literarischen Talente, gewann Europa einen Kulturkämpfer ersten Ranges. Sensitiva amorosa wird hier nach über hundert Jahren in einer neuen deutschen Übersetzung vorgelegt; der Verlag beginnt damit die Herausgabe ausgewählter Werke Ola Hanssons. Man mag diesen Reigen von Novellen und Skizzen, von fesselnden psycho-physiologischen Fallstudien, als fatalistisch oder dekadent, als pessimistisch oder düster-melancholisch bezeichnen, seinem Zauber, seiner Poesie wird man sich nicht entziehen können.