Sentimentrum

Das Gefühlsbarometer

von

Das gleichmäßige Schaukeln des Zuges auf seinem Weg von Bayern an die Ostsee versetzte Anna in einen Zustand der Erinnerungen an eine Zeit die ihr einiges an Überlebenswillen abverlangt hatte. Und auch ihre seltsamen Träume drängen sich immer wieder in ihr Gedächtnis. Ein Schloss, eine Bibliothek, ein See, und immer wieder diese Symbole, Zahlen und Namen mit denen sie nichts anfangen konnte.

Gedankenverloren drehte sie einen Papierwürfel in ihrer Hand. „Sentimentrum“, so sagte ihr Sohn heißt diese Erfindung. Diese Kinderbastelei wollte ihr etwas zeigen, dessen war sie sich bewusst. Und nicht nur, dass sie ihr Sohn lieb hatte. Da war so ein unbestimmtes Gefühl, dass sich noch ganz anderes dahinter versteckte.

Anna lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Erst einmal wollte sie ihre alten Kapitel in der bevorstehenden Kur hinter sich lassen, nicht nur den salzigen Wind des Meeres in ihrem Gesicht genießen, sondern auch den Wind der Veränderung begrüßen, um sich endlich in ein neues Leben zu werfen.

Und nicht nur der Papierwürfel würde sie dabei begleiten. Auch das „Libro cor lati“, ein schon in die Jahre gekommenes Buch ihrer Oma, und zusätzlich ein wortkarger, älterer Herr, der ohne Vorwarnung und ohne sie zu fragen, sich in ihrem neuen Leben breit macht.