Sie ist ein Regenbogen

von

„Die Namen der Personen sowie deren Geschichten sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind zufällig und unbeabsichtigt“
Einen solchen oder ähnlichen Satz vor diesen Roman zu stellen, ist praktisch nicht möglich. Es sind ihrer zu viele, die Miriams Schicksal teilen. Es gibt Statistiken, vor allem aber gibt es Dunkelziffern. Denn gerade diese offiziellen Statistiken scheuen das Licht der Wahrheit. Auch ohne exakte Zahlen zu kennen, wissen wir alle, dass es sich bei den Opfern frühkindlichen sexuellen Missbrauchs in den meisten Fällen um kleine Mädchen handelt, und um Täter, die beinahe durchweg Männer sind wie der nette Nachbar vom Gartenverein, der gute Onkel oder der Papa, der immer so pünktlich seine Kinder vom Kindergarten abholt oder, oder, oder. Ausnahmen bringen in der Statistik beinahe nur die zölibatären Diener der katholischen Kirche, wenngleich diese meist hauptsächlich kleine Jungen bevorzugen. Immerhin sind auch sie womöglich Tausende auf diesem Erdball. Aber die lieben Papas und die netten Nachbarn und Onkels sind heute zahlreicher denn je. Keiner weiß, wie viele es wirklich sind. Das grausige Schicksal nur eines einzelnen missbrauchten Kindes muss jeder Seele eine Stich versetzen – egal, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Spätestens bei der Auseinandersetzung mit den Inhalten der Kinderpornographie wird einem das klar.
Der Autor erzählt von jenen Frauen, die ihm ihr Vertrauen entgegengebracht und ein Stück ihrer Not und Verzweiflung ungeschminkt gezeigt haben. Sie haben ihn an ihrem Leben teilhaben lassen. Er war ihr Freund, sie waren seine Freundinnen. Einmal war er sogar auch der Geliebte.
Die Person Miriam wurde als eine Synthese aus verschiedenen erschaffen – aus Lebenden, die der Autor kannte und die ihm teils sehr nahe standen, sowie aus authentischen Berichten in verschiedenen Veröffentlichungen.
Absichtlich gibt Lorenz Chroszcz den zahllosen, stumm Gewordenen in der fiktiven und zugleich authentischen Person Miriams die Sprache wieder. Vielleicht ist es auch nicht deren eigene Sprache. Jedenfalls keine, die schon gehört worden ist. Sie wird uns, selbst wenn wir ein sehr tiefes Verstehen aufbringen, zeitlebens verborgen bleiben. Der stumme Schrei ist noch von niemandem gehört worden, obwohl es ihn tausendfach gibt. Aber es gibt seine Übersetzungen. Dieser Roman ist eine solche. Nicht mehr und nicht weniger.
Der Autor lässt Miriam zu Wort kommen und beschreibt ihr großes seelisches Leid. Vor allem lässt er dabei die Schönheit und Größe ihrer menschlichen Seele erklingen. Miriams Geschichte, vor allem aber ihre Person, ist ein Plädoyer dafür.