Standorte in Antike und Christentum

Grieche und Christ in römischer Zeit

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Christ sein und Grieche bleiben – das war sozusagen das Lebens- und Arbeitsprogramm des frühchristlichen Theologen Origenes aus Alexandria (185–253/54). Als „das Wunder der christlichen Welt“ gepriesen, wurde er zu einem der großen Gründerväter der christlichen Philosophie, in deren Zentrum konsequent die Freiheit Gottes und die Freiheit des Menschen stehen.

Alfons Fürst beschreibt die Leistung des Origenes, indem er sein Leben und Denken im Kontext der antiken Welt des römischen Kaiserreiches in den Blick nimmt. Als Grieche mit hervorragender Bildung war er in gleichem Maße ein überzeugter Christ, der seine umfassende Gelehrsamkeit in den Dienst der Auslegung der Bibel stellte. Kontakte zur Gnosis und zum Judentum beeinflussten sein Denken, ungleich mehr jedoch die antike Wissenschaft und die Philosophie, mit deren Errungenschaften er sich kritisch auseinandersetzte, die er aber auch vielfältig aufgriff und weiterentwickelte. Mit der Begründung einer hermeneutisch fundierten und methodisch kontrollierten Bibelauslegung und mit dem ersten umfassenden Entwurf einer Metaphysik der Freiheit schuf er zugleich die Grundlagen für eine christliche Kultur. Er war es auch, der schon früh die Metapher von der Gottesgeburt in der Seele prägte, die in der mittelalterlichen Mystik eine so prominente Rolle spielte. Dass Origenes von der Nachwelt erst einmal verketzert wurde, vermochte der tiefen Wirkung seiner Gedanken auf die christliche Theologie späterer Jahrhunderte keinen Abbruch zu tun.