Strandgut

Miniaturen

von

Versuch einer Bett-Lektüre
Ein Kissen liegt auf einem Bett. Sonst aber ist das Bett leer. Es ist ein gemachtes
Bild von einem nicht gemachten Bett, von einem „Himmelbett“
an einem „Strand“.
Thomas Stuke eröffnet seine „Strandgut“-Texte mit der Beschreibung eines
Verlusts, der so schwer wiegt, dass er unerträglich scheint. Und doch: Nachdem
der tote Säugling nicht mehr „in seiner allzu unnützen Wiege“ lag, wurde
„die da ganz entleerte Bettstatt“ mit eingesammelten „Bergwiesenmaienblüten“
anders und neu „gefüllt“. Schon der erste Satz des Buches spricht
von einer „gebeugten Haltung“ als Geste des aufmerksamen Aufsuchens
von jetzt auffindbarem „Strandgut“ und einer so möglichen allmählichen
Verwandlung desselben.
Mit der Lek-TÜRE ins Haus zu fallen, dafür wurden Vor-Worte doch erfunden,
als Türöffner für die Lesenden. Aber ganz so einfach ist das hier nicht. Das
Bild vom Bett macht das Buch zu einem phantastischen Ort. Und es sind
durchaus nicht nur Gegenstände, die zum Strandgut taugen, Beobachtungen
und Begegnungen, Situationen und Stimmungen, Texte und Melodien
reihen sich ein. Aufgehoben vom Boden, aufgehoben in Wahrnehmung und
Erinnerung, aufgehoben im Text.
Selbst das Wort „Strandgut“ lässt sich ja beugen und gebeugt in der Sprache
bewahren und also aufheben. Dies sei auch die hiermit empfohlene Lesehaltung,
um uns Leserinnen und Leser auf unsere eigene Verwandlungsfähigkeit
zu besinnen. (Thomas Hilger, Köln, zum 1. Advent 2019)