Tatarinowa. Die Prophetin von St. Petersburg

Novelle. Herausgegeben von Olga Martynova und Oleg Jurjew, übersetzt aus dem Russischen und kommentiert von Daniel Jurjew, das Nachwort von Oleg Jurjew.

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TATARINOWA, 1931 verfaßt, konnte zu Lebzeiten Anna Radlowas nicht veröffentlicht werden. Die Erzählung behandelt die russische Geschichte, brandmarkt aber den ‚Zarismus‘ nicht, sie spricht von Sektierern, Glaubenshysterikern, Selbstverstümmlern, ohne jedoch antireligiös zu sein. Die Erzählung lag im Archiv, bis sie 1997 zusammen mit anderen Texten von Anna Radlowa (einem Theaterstück und Gedichten) in Moskau erschien – durch das Engagement von Alexander Etkind.
Die atmosphärisch dichte Novelle spielt im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Es entsteht ein geschichtstreues Bild, in das auch weithin unbekannte Details eingewoben sind. Anna Radlowa arbeitete dafür in Archiven; sie benutzte Briefe und Erinnerungen aus jener Zeit.
Wir verfolgen die Geschichte einer Kastratensekte, der ‚geistigen Skopzen‘, die sich in den höchsten Gesellschaftskreisen der Hauptstadt Petersburg etablierte. Wir sehen lebendige, leidende, sündigende Menschen und ihre Versuche, dem Leid mit Glauben zu begegnen. Wir erleben hautnah, wie die Eiferer und Zweifler (darunter große Persönlichkeiten – Maler, Heerführer, sogar Zar Alexander I. – und einfache kleine Menschen) Jekaterina Tatarinowa um Hilfe im schwierigen Geschäft des Lebens ersuchen und wie diese ihre letzten Kräfte für diese Hilfe aufwendet.
Tatarinowa ist eine große, großartige Frau, und die Geschichte ihrer Berufung und ihres Dienstes an Gott und den Menschen ist nicht zuletzt aus psychologischer Sicht lehrreich. Doch die Geschichte ist auch rührend. Und abstoßend. Und verwirrend. Und noch vieles mehr.