Tradition und Revolution

Pläydoyer für einen nachmarxistischen Sozialismus. Mit einem Nachwort von Ueli Mäder

von

‚Kritik ist nur so weit wirklich kritisch, als sie auch sich selbst gegenüber kritisch bleibt.‘ 
Der Triumph des Fortschritts von Technik und Wissen hat zu keiner Revolution des Selbstbewusstseins geführt. ‚Die Amerikaner‘, schrieb Arnold Künzli, ‚können zwar auf dem Mond spazieren gehen, aber nicht einmal mehr am hellen Tag im Central Park von New York.‘ Vor dem Hintergrund sich verschärfender Probleme auf der Erde nimmt sich die Mondfahrt wie die Wirklichkeitsflucht eines Neurotikers aus. Der Glaube an die erlösende Kraft des Fortschritts erhielt im Zeitalter der Aufklärung religiöse Dignität. Zur Dialektik des Fortschritts gehört die Negation, die den Fortschritt wieder aufhebt. Wir wissen nicht, welchen Preis kommende Generationen für unseren Fortschritt bezahlen müssen. Wir brauchen eine Aufklärung der Aufklärung über sich selbst. Das ist eine Aufklärung, die um ihre eigene Dialektik weiss. Im Sinne einer Emanzipation der Emanzipateure hinterfragt sie auch die Marx’sche Dialektik. Ein mündiger Sozialismus versteht sich als selbstreflexive Gesellschaftstheorie einer Praxis radikaler Demokratisierung. Und Revolution bedeutet keine Absage an alle Tradition. Sie nimmt selektiv auf, was sich bewährt.