Ütopie

von

Willibald Sechzig, im nebulösen Amt für Arbeit und Energie beschäftigt, durchleuchtet das Leben seiner „Kunden“ und bewertet es mit Bürgerpunkten. Seit der verflossenen Liebe zu Kulana scheint seine Zeit stehengeblieben. Die „Dinge“ um ihn verlieren an Wirkung und erscheinen wie ausgelaugt.
Beim Mittagessen im Lokal weicht seine Gabel auf, die Spaghetti wachsen über den Kopf. Sechzig kippt um. Die Folge eines lange gefühlten Kräfteschwunds.
Die Sechzig/Welt-Konstruktion gerät aus den Fugen. „Dinge“ greifen in sein mühsam eingerichtetes Privatidyll ein. Ein Flaschenautomat bezweifelt seinen Verstand, ein Tier labt sich an seinem fülligen Leib, ein Stein philosophiert. Der Tod seines älteren Bruders tritt in sein Leben. Ein Schreiben vom Ministerium an ihn verkündet große Umwälzungen für die Bürger.
Sechzig bleibt dem Amt fern, erforscht sein Lebensumfeld neu und gerät auf bisher verborgene Schauplätze. Linderung seiner Irritationen findet er in selbstverliebten Wortspielen und lustvoll ausschweifenden Gedanken.
In seiner Welt der „Dinge hinter den Dingen“ reist er bequem in seine Kindheit, wirkt als Gnom und reimt sich die Beziehung zu Kulana neu zusammen. Auf der Wanderschaft kommt Sechzig in ein geheimnisvolles Dorf mit seltsamer Neigung zum Umlaut Ü.

Willibald Sechzig: „Gerne würde ich zum Nutze der Menschheit etwas Großartiges beitragen, mehr Licht in die Welt bringen. Am liebsten wäre ich etwas revolutionär. Die Beschaffenheit meiner Person lässt es aber nicht zu. Mein Umfeld ist wenig aufrührerisch, kaum von lebendigem Geist, zaghaft und verhalten im Tun. So begnüge ich mich oft mit einem mürrischen Grollen, um Herr der Lage zu werden. Es hat sich im Bereich des Magens angesiedelt und ist der leise Widerstand eines behäbigen, einsamen Tiers. Aber manchmal wendet sich das Blatt, unvorhergesehen wird alles komisch, phantastisch und kommt mir wie ein langer Witz vor.