Vergessenes Bayern

Franziska zu Reventlow und der Erste Weltkrieg

„In Deutschland selbst ist man sich nur über eine Sache einig: dass man nie einer Meinung ist – außer zu Beginn des aktuellen Krieges. Und diese außergewöhnliche Tatsache wurde unter dem Namen „deutsches Wunder“ zelebriert. Von der Kehrseite werden wir gleich erfahren.“

Im November 1914 kehrt die Schriftstellerin Franziska zu Reventlow nach München zurück und ist entsetzt: Die einst freie, kosmopolitische Stadt ist nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs vom preußischen Militarismus durchdrungen. Uniformen bestimmen optisch das Straßenbild und administrativ das Leben aller „braven Deutschen“. Das Säbelrasseln und die blinde Freude am Krieg stoßen die Literatin ab. Und diesem preußischen Wahn soll sie ihren kaum
erwachsenen Sohn Rolf als Soldaten opfern? Da wird sie lieber zum Schein Spionin, um im Geheimen seine Desertion
zu planen …

In ihrem Essay „Die Kehrseite des deutschen Wunders“ nimmt Franziska zu Reventlow kein Blatt vor den Mund: Sie berichtet von der Verblendung der Europäer, von militärischer Schikane, elenden Hungerzeiten, einem wirren Spitzel- und Denunziantenwesen und nicht zuletzt von der abenteuerlichen Rettung ihres Sohnes vor dem ganz und gar nicht ehrenvollen Tod im Feld.

Lange war ihr sehr privater Beitrag zum Ersten Weltkrieg unbekannt, bis er von der südafrikanischen Universitätsprofessorin Catherine du Toit wiederentdeckt wurde. Der Öffentlichkeit wird er nun erstmals zugänglich gemacht und führt die Reihe „Vergessenes Bayern“ fort – ergänzt um informative Hintergrundtexte, die den Essay historisch und aus literaturwissenschaftlicher Sicht beleuchten, sowie um einen Bericht zu den Umständen und der Bedeutung des
unglaublichen Funds.