Verlorene Unschuld

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Kennen Sie den Schock, wenn plötzlich das Abbild einer antiken Statue in Fleisch und Blut vor Ihnen steht? Ist es zu glauben, dass sächsisch ausgesprochene schwäbische Ortsnamen erotisch wirken? Was tut man alles, um eine Karte für eine ausverkaufte Tristan-Aufführung zu bekommen? Die Helden dieser Erzählungen sind so banal wie die Orte ihrer Handlung. Immer sind es Zufälle, die wie mit der Axt in ihren Alltag fahren und neue Perspektiven schaffen. Harmlose Biedermänner erliegen der Versuchung durch einen anderen Mann, und die Fetzen fliegen: „Es war, als seien zwei Sensenmänner ineinandergerasselt. Er war so gut wie ohnmächtig. Ich lag wie ein erschöpfter Hase zitternd, japsend, aber pappsatt inmitten meiner antiquarischen Bestände.“

Es sind keine lange gehegten Sehnsüchte, die hier in Erfüllung gehen, keine Wunschträume oder verdrängte Phantasien. Mit Liebe zum Detail führt Marber seine Figuren in völlig überraschende und exaltierte Situationen, und aus der Intensität der Begegnung entsteht wie von selbst eine starke Komik. Nachher wird’s dann wieder prosaisch: „Mit Männern, dachte ich und denk ich immer noch, kann man ja im wesentlichen nur zwei Sachen machen: Sich auf sie werfen oder den Kopf in ihrem Schoß vergraben. Bei Mann und Frau gibts da natürlich auch nicht viel mehr. Aber da spielt das auch nicht so eine Rolle.“

Andreas Marber wurde in Süddeutschland geboren. Er arbeitete als Dramaturg und Autor unter anderen an den Bühnen von Stuttgart, Bochum und am Hamburger Schauspielhaus. Seine bekanntesten Stücke sind „Die Nazisirene“, „Der Lockruf der Bahnhofsmission verhallt ungehört“, „Die Lügen der Papageien“ und „Rimbaud in Eisenhüttenstadt“. Marber lebt in Hamburg und Berlin.