Vernachlässigbare Veränderungen

Bild-Text-Korrespondenz

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Körper, die sich in der Gegend verstreuen, sich verselbstständigen oder von uns entfremden. Der Körper und das Verhältnis, in dem wir als Gesellschaft und als Individuum zu ihm stehen, bildet das Leitmotiv des intermedialen Briefwechsels der Schriftstellerin Elisabeth Klar und der Künstlerin Kathrin Kloeckl. Ein Jahr des Dialogs um Veränderungen, die vielleicht alles andere als vernachlässigbar sind.

Malerei, Zeichnung, Bildende Kunst, das ist das Reich der Körper, auf einen Blick sind sie präsent. Prosa und Dichtung, hier ist der Platz für Geschichte und Geschichten; in der Literatur kann sich die Zeit von Buchstabe zu Buchstabe, von Wort zu Wort hanteln. Sicher begegnet uns ein Bild anders als ein Text, aber diese Vorstellung einer klaren Trennung zwischen der Darstellung von Handlung in der Sprache und der Darstellung von Körperlichkeit im Bild ist brüchig. Ganze Epochen können in einer Zeichnung gelesen werden und die fleischigsten, plastischsten Körper aus Büchern steigen.

Elisabeth Klar und Kathrin Kloeckl unterhalten sich, die eine schreibt, die andere zeichnet. Vernachlässigbare Veränderungen denkt damit über die Ausdrucksmöglichkeiten und -grenzen von Wort und Bild nach. Die Leserin kann sich beobachten, wie sie die Zeichnungen und die Texte in Beziehung setzt, wo sie sich wie und wie lange aufhält. Die Frage nach einer Übersetzung steht jedoch nicht im Vordergrund. Die Zeichnungen illustrieren nicht die kurzen Geschichten und Szenen; diese sind wiederum keine Bildbeschreibungen. Das Buch ist ein Dialog, eine chronologisch niedergelegte Korrespondenz zwischen zwei Frauen, die sich persönlich, intellektuell und künstlerisch schätzen und sich etwas zu sagen haben. Am Anfang ihres Gesprächs steht ein vages, aber brodelndes Interesse: Die Darstellung, die Grenzen, die Auflösung, die Multiplizität des Körpers.

Man sagt Identität, und es mischen sich die Zeiten, Kontexte, Selbst- und Fremdbilder und nur mit Ach und Krach rührt man das alles in einem Topf zusammen – und auch immer nur zeitweise. Die Kunst – und im Übrigen auch die Wissenschaft – versucht auf unterschiedlichsten Wegen die Vielheit des Ich herauszustreichen und zu begreifen. Der Körper, dieses plumpe Ding zum Anfassen, wäre ein Trost in dieser Verwirrung: Der Körper als Einheit, unmissverständlich durch die Haut begrenzt, unter unserer Kontrolle. Aber auch diese Vorstellung ist brüchig. Er ist manchmal mehr, manchmal weniger, als man will; manchmal zu starr und unflexibel, manchmal zu flüchtig und undefiniert; manchmal zu nah an seiner Umwelt und an anderen Körpern, manchmal unzugänglich. Wie dann über den Körper nachdenken? Da muss man schon einmal sehr nah an eine Ohrmuschel heran, jede Falte und jeden Knorpel betasten. Da gibt es klare Raster und Linien, aber auch Wirbel ohne klaren Anfang und Ende. Da kann es romantisch werden, rosa, aber auch roh und beunruhigend.

(Julia Grillmayr in der editorischen Notiz)