Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen

Reihe Texte

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Der 1931 geschriebene Roman darf als eine der wichtigsten Entdeckungen des im Fritz-Hüser-Instituts (Dortmund) gelagerten Nachlasses Erich Grisar gewertet werden. Dass es nie zu einer Veröffentlichung des Romans kam, ist den ›ungünstigen‹ zeitgenössischen Umständen geschuldet: Grisars »Porträt einer Stadt« setzt sich nicht nur kritisch mit den gegenwärtigen Zuständen in der Stadt Dortmund, sondern ebenso mit den aufkommenden politischen, sozialen und ideologischen Umbrüchen auseinander. Die Vorabveröffentlichung eines Kapitels gelang ihm Anfang 1932 in der Illustrierten Beilage zum »Dortmunder General-Anzeiger«. An eine Publikation des Romans, der sich – wie die Lyrik Grisars der 1920er-Jahre – der Sorgen, Nöte und Partizipationsbemühungen der Arbeiterschaft annahm, war kurz vor der ›Machtergreifung‹ der Nationalsozialisten nicht mehr zu denken.
»Ruhrstadt« liefert nicht nur ein präzises Porträt der Stadt Dortmund in den späten 1920er- und frühen 1930er-Jahre, der sozialen Konflikten innerhalb der Stadtgesellschaft, sondern erzählt auch von ganz alltäglichen Begebenheiten innerhalb der Arbeitersiedlung im Dortmunder Norden.
Eingebunden sind diese Beschreibungen – hier zeigt sich der Journalist Erich Grisar ganz in seinem Element – in Erzählungen, welche die Auswirkungen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf die Arbeiterschaft (Massenentlassungen, Lohnkürzungen) nachzeichnen. Der Roman entwirft so ein zeithistorisches – und zum Zeitpunkt seiner Entstehung hochaktuelles – Panorama der Stadt Dortmund und ihrer Bewohner. Fragen der Stadtgestaltung und des regionalhistorischen Selbstverständnisses sind dabei ebenso relevant wie die Positionierung der Arbeit gegenüber Avancen der zunehmend bei Bürgern und Industriellen an Zuspruch gewinnenden NSDAP.
Mit »Ruhrstadt« gelang Erich Grisar 1931 ein Roman der unmittelbaren Gegenwart, der in seiner Kombination von dokumentarischem Realismus, erzählerischer Leichtigkeit und kritischer Zeitgenossenschaft durchaus als Roman des Ruhrgebiets gelten darf und neben den Büchern und Berichten von Heinrich Hauser, Erik Reger und Georg Schwarz einen eigenständigen Blick auf die Region wirft.

Arnold Maxwill