Verrat der Intellektuellen

Schleifspuren durch die Republik

von

Ausgehend von Zeitungslektüre unternimmt Stephan Reinhardt in seit der Wende unübersichtlicher gewordenen Verhältnissen den Versuch einer Orientierung. Seine These: Urteilsfähige Bürger sind Auskundschafter, Seismographender Demokratie. Wer die Ideen von Aufklärung und Französischer Revolution – Prinzipien wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sowie die ‚Achtung vor der Person und vor der Wahrheit‘ (Julien Benda) – ignoriert, ist in Gefahr, geistige Souveränität auf dem Altar der Real- und Machtpolitik zu opfern – und damit auch ‚Phantasie für den Entwurf von Alternativen‘ (Habermas). Etliche ehedem linksliberale Geistesarbeiter haben vor und vor allem nach der Wende die Seiten gewechselt. Stammtischideen der ‚Konservativen Revolution‘ wie ethnische Homogenität wurden aufgewärmt in der Forderung nach ‚deutscher Leitkultur‘; im bewußten Mißverständnis des Begriffes Gleichheit werden gesellschaftliche Chancenungleichheit und wachsende Verarmung als unvermeidlich akzeptiert. In einem Klima geistiger Aufrüstung richten sich deutsche Tuis den Terror des Krieges zur selbstverständlichen Option her. Wahre Patrioten aber sind Verfechter der Grundwerte der Verfassung – Kinder der Aufklärung und der Französischen Revolution. Auch in Demokratien brauchen sie Mut, um moralische Sensibilität und Mitleidsfähigkeit für Schwächere und für Minderheiten unter Beweis stellen zu können. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.