Verwunschenheitszustand

Gedichte

von

Der Dichter als Weltempfänger

Die Linien des Lebens werden für den Dichter Michael Speier durch den Flug über den Großen Teich markiert. Seit zwanzig Jahren pendelt der Dichter, Übersetzer, Literaturwissenschaftler und Zeitschriftenherausgeber zwischen seiner Heimatstadt Berlin und diversen amerikanischen Universitäten, wo er amerikanische Studierende in die Geheimnisse der deutschsprachigen Literatur einführt. Diesen Weltenwechsel hatte der junge Germanistikstudent bereits um 1971 / 1972 antizipiert. Denn in seinen frühen Gedichten hatte er gleich zwei sehr gegensätzliche Leitfiguren im Gepäck: »Mit Pound und Hölderlin / an Kaliforniens Küste (oder / attische Gestade?) / gelagert … « So setzt eins der frühen Gedichte ein, das auch den vorliegenden Band eröffnet – und diese Confessio benennt jene Referenzfiguren, die Michael Speier auf seinem literarischen Lebensweg seither begleitet haben: den poetischen Absolutisten und Antike-Enthusiasten Hölderlin und den rauschbereiten Einzelgänger Ezra Pound, der zeitlebens vom »Risorgimento « träumte, einer Kultursynthese aus europäischer und amerikanischer Geistesart. Dazu traten als wichtige Impulsgeber noch Stefan George und Paul Celan. Und im Grunde ist die Synthetisierung europäischer und amerikanischer Traditionen auch bis heute der
Weg, den der Dichter Michael Speier favorisiert. Als er 1976 in Heidelberg die Zeitschrift Park begründete, entschied er sich früh für ein strenges asketisches Weiß als Coverfarbe seines Heftes. Das war ein Bekenntnis zur Farbe Weiß als der Elementarfarbe der symbolistischen Dichtkunst und der literarischen Avantgarde. Seit 1987 ist er zudem Herausgeber des Celan-Jahrbuchs, und wir verdanken ihm zahlreiche luzide Aufsätze zur Herkunfts- und Wirkungsgeschichte von Celan-Gedichten.

Aus dem Vorwort von Michael Braun