Wahrheit in Gestalt

Sprachbedingungen der Wissenschaft: Die Ansätze T. S. Kuhns und M. Merleau-Pontys

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Wie Wissenschaft tatsächlich Wissen schafft, hängt weitgehend von der Sprache ab, in der es niedergelegt wird. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass Wissenschaft der endgültigen Wahrheit durch ein ständiges Mehr an Wissen stetig näher rückt. Das aber setzt eine unbegrenzte Präzisierbarkeit der Sprache voraus. Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven entwickelten die Philosophen Maurice Merleau-Ponty und Thomas S. Kuhn schwerwiegende Zweifel daran. Merleau-Ponty untersuchte die Entstehung von Bedeutung in der Sprache und verfolgte deren Spuren innerhalb wissenschaftlicher Texte. Er bestritt mit phänomenologischen Methoden, dass Sprache eindeutiger Ausdruck der objektiven Welt sein könne. Kuhn untersuchte die Geschichte der Naturwissenschaften und stieß dabei auf widerständige Tatbestände, welche sich nicht in den konventionellen wissenschaftshistorischen Rahmen einordnen lassen. Beide Philosophen plädieren für eine Sprachauffassung, die Sprache durch große Bedeutungszusammenhänge charakterisiert. Sprachliche Ausdrücke treten in „Gestalt“ auf, welche die Voraussetzung für die Bedeutung ist und nur wiederum durch „Gestaltwandel“ in neue Bedeutungen überführt werden kann. Andreas Pacholski offeriert in seiner vergleichenden Analyse die strukturalistisch orientierte Phänomenologie Merleau-Pontys als Rahmentheorie für Kuhns postpositivistischem Ansatz. Jüngste Ergebnisse der Kognitionspsychologie zeigen, wie aktuell die vorgestellten Ansätze für die wissenschaftstheoretische Diskussion sind.