Walter von Keudell

Das bewegte Leben des Reichsministers und Generalforstmeisters durch vier deutsche Epochen

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Walter v. Keudell-Hohenlübbichow (1884 – 1973) war Rittergutsbesitzer im östlichen Brandenburg, forstlicher Autodidakt und waldbaulicher Pionier, Verwaltungsjurist, Landrat, Mitglied des Reichstages für die Deutschnationale Volkspartei, Reichsminister des Innern und Generalforstmeister. Zeitlebens blieb der Ehrendoktor der Forstwissenschaften und der Theologie der Musik verbunden und war selbst ein guter Klavier- und Orgelspieler. Im Herzen Monarchist geblieben, bekannte sich der sehr religiöse Keudell zum gemässigten Konservatismus und wandte sich gegen die Verächtlichmachung der preussisch-deutschen Geschichte. Er bewunderte den Reichspräsidenten v. Hindenburg. Stets hegte er unerbittliche Feindschaft zum Kommunismus, zeigte aber eine gewisse Bewunderung gegenüber der Sowjetunion als staatlichem Gebilde und deren langem Atem im politischen Wirken. Als Gegner der Sozialdemokratie pflegte er dennoch zu einzelnen Genossen wie Paul Löbe, Carl Severing oder Walter Zechlin ein persönlich gutes Verhältnis. Er war ausgeprägter Föderalist und widersetzte sich zentralistischen Bestrebungen und der Beseitigung historisch gewachsener Grenzen. In Bayern und Württemberg genoss er deswegen hohe Beliebtheit. Walter von Keudell opponierte gegen den autokratischen Parteiführer Alfred Hugenberg, wofür er aus den Listen der Deutschnationalen Volkspartei gestrichen wurde. Das parlamentarische Weimarer System, insbesondere das Reichstagswahlrecht und die Konstruktion der rein von den Parteien abhängigen Reichsregierung sah er als unglücklich an. Keudell begrüsste in der ausweglosen Lage von 1932/33 die Berufung Hitlers zum Reichskanzler. Seine Haltung gegenüber der NSDAP, der er im Februar 1933 beitrat, blieb aber gespalten, auch wenn er zu einzelnen Vertretern des Regimes gute Beziehungen unterhielt. Als er im August 1933 preussischer Oberlandforstmeister wurde, galt sein Einsatz der Errichtung eines Reichsforstamtes und der Herbeiführung des Dauerwaldes. Infolge seiner Unbeliebtheit bei der Partei und der sich abzeichnenden Unvereinbarkeit seiner Zielsetzung mit der massiven Raubpolitik der Nationalsozialisten am Wald wurde er 1937 verabschiedet. Bis zum Frühjahr 1939 liess er sich allerdings noch von den aussenpolitischen Erfolgen Hitlers beeindrucken. Das Kriegsende bescherte ihm den Verlust seiner angestammten neumärkischen Heimat. Er fühlte sich beschämt durch die ungeheuren Verbrechen, welche im deutschen Namen geschehen waren. Aus verschiedenen Erwägungen heraus hielt er es sogar für seine Person für symbolisch angemessen, einige Monate hinter Stacheldraht einsitzen zu müssen. Das Menschliche stand ihm immer im Vordergrund. Die letzten fünfundzwanzig Jahre seines Lebens stellte Keudell seine Erfahrungen in den Dienst der CDU, wirkte als inoffizieller Berater von Adenauer, Kiesinger, Heuss und Lübke; besonders aber setzte er sich für seine geflüchteten und vertriebenen Landsleute ein und widmete sich den historischen Lehren aus der Vergangenheit. Walter v. Keudell, ein Zeitzeuge aus vier deutschen Epochen mit unergründlichem Erfahrungsschatz – ein Mensch, der auch irrte und Schwäche zeigte, aber ein unermüdlicher Arbeiter und ein Patriot, der seinen Idealen stets treu blieb.