Was Großmutter erzählt

von

Ottilie Goeth, geb. Fuchs (1836-1926) war die zweitjüngste Tochter von Pastor Adolf Fuchs. In ihren im hohen Alter aufgezeichneten Erinnerungen schildert sie uns plastisch, wie das Auswanderungsprojekt ihres ideal angelegten Vaters in der texanischen Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts umgesetzt wurde. In einem auch sprachlich souveränen Rückblick auf ein arbeitsreiches Leben bringt Ottilie uns nahe, wie sie ihre Welt der Gegensätze erlebt hat und was ihr Beitrag zur Gestaltung dieser Welt gewesen ist.

„Es war im Frühling 1846, als wir nach Cat Spring gekommen, und da hieß es denn nun auch gleich, Hand ans Werk zu legen. Ein bescheidener Pflug, von einem Joch Ochsen gezogen, war zur Hand. Wie mochte dem Gelehrten hinterm Pfluge zu Mute sein, wie ungeschickt und schwerfällig ihm alles von der Hand ging, die wohl den Violinbogen und die leichtere Gartenschere zu handhaben gewußt. Aber diese Ochsen, dieser Pflug! Was nützte alle Geometrie, sechs Sprachen und Logarithmen, es ging nicht. Und hielt da nicht zu Pferde am Felde Mephistopheles in höllischer Person und spottete wie einst in der Hexenküche:

Ernähre dich mit ungemischter Speise,

Leb’ mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht für Raub,

Den Acker den du erntest, selbst zu düngen.

Glücklicher Weise war’s aber kein Mephisto, sondern einer jener liebenswürdigen amerikanischen Ansiedler,. der jetzt vom Pferde stieg und dem Vater in freundlichster Weise zeigte, wie eine widerspenstige Pflugschar zu bändigen. – Ein gar saures Frühjahr mag’s gewesen sein, aber wir alle griffen frisch mit an, wo es geschehen konnte, so wurde Verzagtheit verbannt, wenn sie uns anwandeln wollte.“