WEGMARKEN. Lebenswege und geistige Landschaften

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Überwältigt stand der junge schweizer Schriftsteller
Robert Walser (1878 – 1956) im Frühling
1905 auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin. Die
quirlige Metropole des Deutschen Kaiserreichs
zog ihn sofort in den Bann. Schon zweimal
zuvor hatte er versucht, hier in der Großstadt
Fuß zu fassen. In Charlottenburg wohnte sein
Bruder Karl Walser, der es zum berühmten
Maler und Bühnenbildner gebracht hatte. Nach
seiner ersten Buchveröffentlichung Fritz Kochers
Aufsätze, zu der sein Bruder die Illustrationen
geliefert hatte, hoffte Walser, nun endlich den
Durchbruch als Schriftsteller zu erreichen. Wo
sonst, wenn nicht in Berlin, würde sich der
geeignete Verlag und vor allem das enthusiastische
Publikum finden lassen? Sein erfolgreicher
Bruder Karl nahm ihn in der eigenen Wohnung
auf und führte ihn in künstlerische Kreise ein.
Auch gelang es ihm, den zurückhaltenden
Robert Walser im Verlag Bruno Cassirer
unterzubringen, dessen Lektor Christan Morgenstern
sich für seinen Roman Geschwister
Tanner engagierte. Walser erlebte in Berlin seine
produktivste Zeit. Hier erschienen auch noch
seine nächsten beiden Romane Der Gehülfe und
Jacob von Gunten. Doch fühlte sich der versponnene
Dichter nicht wohl unter all den eitlen
Künstlern und Schriftstellern. Deprimiert
kehrte er 1912 in die Schweiz zurück.