wenigstens den himmel retten

gedichte

von

Die Lyrik Claudia Wisiols ist klar, sanft und einfühlsam, voller Weisheit:

ahnungslos
in eine zeit geboren die
der unseren so fremd
mit krieg und hass
und not und elend und
vertreibung die jungen jahre erlebt
in zügen verbracht ihr junges
muttersein mit dem säugling
im arm zum essen zu wenig
das hilflose schreien des kindes begleitet
das leben in waggons mit löwen besetzt
ums leben gekämpft
ums überleben
und ahnungslos
wo hinführt der weg
wo die züge halten und
wann sie aussteigen wird
und einsteigen in ein neues leben
ein anderes dorf mit
einer anderen landschaft
mit menschen die
sie nie zuvor gesehen
und angst
wie die menschen denken
über die mutter mit dem säugling im arm
die heimkehren muss
in die fremde
die heimat werden soll irgendwie
unerwünscht von vorne beginnen
von armut und entbehrungen und misstrauen begleitet

nach vielen jahren entsteht ein haus
jeden ziegel gegossen mit eigener hand
schutz und raum und heimat
erbaut mit eigenen händen
die zukunft gestaltet
für sich
und ihre menschen
gelebt genäht und gestrickt
die wolle gewaschen und um stühle gewickelt
viele male verwendet

den weg ausgeschritten
geduldig geblieben die mitte
gefunden und wieder verlassen ahnungslos
oft wenden müssen doch immer
weiter gegangen bis
das ende des weges
in sichtweite
nun
nach vierundneunzig jahren
der wunsch zu gehen
nach hause wollen
heimkehren wollen
ahnungslos
wo dies nun sei
nur die löwen in den waggons bleiben
stille begleiter