wie wolken dahin

Lyrik

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„Wie Wolken dahin“
Wendel Schäfer wird mit seinem neuesten Buch so manche seiner Leser überraschen
Bendorf/Boppard. Gar keine Frage – mit seinem neuesten Buch „Wie Wolken dahin“ wird der Autor Wendel Schäfer so manchen aus der großen Schar seiner Anhänger überraschen. Und viele Freunde hat Schäfer unter anderem ja auch in Bendorf, wo er über viele Jahre hinweg Rektor der Theodor-Heuss-Schule war. Dass er als Untertitel nur das eine Wort „Lyrik“ wählt, verspricht nicht unbedingt eine leichter verdauliche Kost als die, die er in der Vergangenheit immer wieder anbot. Denn Lyrik zeichnet sich innerhalb der literarischen Bandbreite vor allem durch ihre semantische Dichte und sprachliche Prägnanz aus. Über Inhalte verrät sie aber zunächst noch nichts.
Unter dem Titel „Zur rechten Zeit“ findet der Leser, die Leserin beispielsweise die Zeilen: „Jetzt, wo Herbst, habe ich mir eine neue Freundin erwählt. Mit dem wunderschönen Namen Melancholia“. Und die Melancholie ist es, die gleich mehrere der Gedichte umwebt. Heimweh: „Wenn im Herbst die Erde ihre Kinder zu sich ruft, schaut ein leerer Baum in sich hinein und möchte nur noch Wurzel sein“. Befreierin: „Im Winter ist die Nacht dem Tag um Längen enteilt und hat mit weicher Hand das Land vom Lärm befreit“. Wunschlos: „Der Frühling zu spät, der Sommer zu nass, der Herbst schon zu kalt und der Winter zu warm (was willst du mehr)“.
Im Buch gibt es viele weitere Beispiele, die zeigen, wie gekonnt Wendel Schäfer mit der Sprache umgeht. Wie er fast nach der Art eines konkreten Künstlers seine Texte konsequent reduziert und damit den Inhalt auf wenige Worte konzentriert, bis nur ein Kern verbleibt, in dem sich Intellekt und Emotion auf engstem Raum bündeln. Man könnte versucht sein, diesen Umgang mit der Sprache als ein Spiel zu bezeichnen, aber das trifft wohl kaum zu; mit nur ganz wenigen Worten klare Aussagen zu machen, ist harte Arbeit.
Wendel Schäfer aber wäre nicht er selbst, wenn aus zahlreichen der nun vorgestellten Gedichte nicht doch jene sarkastische Schärfe als Inhaltsstoff herauszuschmecken wäre, wie man sie von dem Autor kennt, liebt und schätzt. Doch in diesem neuen Buch ist sie keineswegs dominant und allgegenwärtig. Das sollte niemanden enttäuschen, denn er wird durch eine großartige Sprachästhetik belohnt; und die kleinen, aber feinen Gebilde stehen vor einem großen Hintergrund, der aus einem zutiefst philosophischen Gewebe weise gesponnen ist. Und dazu finden sich im Buch auch noch wunderschöne Fotografien von Ulrike Schäfer.
(Aus einer Besprechung von Peter Lindemann in Kleeblatt)