Wolfgang Gäfgen. Holzdrucke

Gedankensplitter

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Die Druckgrafik spielt neben der Zeichnung die zentrale Rolle im Werk von Wolfgang Gäfgen. Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt sich der Künstler, der in Paris und Stuttgart lebt und der von 1983 bis 2002 an der Stuttgarter Akademie eine Professur für Freie Grafik und Malerei innehatte, intensiv mit dem Holzdruck.

Das Kunstmuseum Spendhaus konnte in diesem Jahr vom Künstler ein umfangreiches Konvolut seiner großformatigen Unikate als Schenkung entgegennehmen. Aus diesem Anlass zeigt das Museum nun vom 27. November bis zum 23. Januar unter dem Titel „Gedankensplitter“ eine exemplarische Auswahl seiner Holzdrucke.

Wolfgang Gäfgen genießt bereits seit einem halben Jahrhundert in Deutschland und in Frankreich einen ausgezeichneten Ruf als Zeichner und als bedeutender Schöpfer von Druckgrafik, was eine lange Reihe von Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen belegt. So war er zum Beispiel 1977 mit einem Block von Zeichnungen auf der documenta 6 vertreten. Die Grundlagen für seine Meisterschaft in der Handhabung der druckgrafischen Verfahren erarbeitete er sich bereits früh, zunächst während seines Studiums an der Stuttgarter Akademie bei Karl Rössing und später dann in Paris unter anderem durch seine enge Zusammenarbeit mit Johnny Friedlaender. Waren lange die Radierung und schließlich das vom Künstler virtuos eingesetzte Mezzotinto die bevorzugten druckgrafischen Medien von Wolfgang Gäfgen, so wandte er sich Ende der achtziger Jahre dem großformatigen Holzdruck zu.

Diese Hinwendung zum Holzdruck geschah vor dem Hintergrund einer breiten Neubewertung des Hochdrucks seit den achtziger Jahren. In dieser wahren Renaissance des Holzschnitts zeichneten sich von Anfang an deutlich zwei Entwicklungslinien ab: Einerseits gab und gibt es den figurativ-erzählerischen Ansatz – häufig anknüpfend an die Tradition des deutschen Expressionismus, daneben aber andererseits auch die Ausrichtung auf die autonome, zeichenhafte Form. Wolfgang Gäfgens Holzdrucke sind keinem dieser beiden Lager zuzuordnen, der Künstler vertritt vielmehr eine ausgesprochen eigenständige und ganz unverwechselbare Position. Alles gemeinhin als typisch ‚holzschnitthaft‘ Charakterisierte, etwa jeglicher expressive Gestus ob beim Schneiden oder beim Drucken, wird vom Künstler bewusst vermieden. Vielmehr ist seinen Großformaten, die sich formal vielfach mit seinen Zeichnungen berühren, eine spielerische Leichtigkeit eigen. Scheinbar mühelos erreicht Wolfgang Gäfgen in seinen Arbeiten eine überzeugende Balance zwischen den deutlichen Bezügen zur gesehenen und erinnerten Wirklichkeit und einem Repertoire an autonomen Formen und Linien. Gegenständliches unterschiedlichster Provenienz – vom kunstgeschichtlichen Zitat bis zum unspektakulären Alltagsgegenstand – begegnet dem Betrachter in beinahe jeder Arbeit des Künstlers. Die im visuellen Bildgedächtnis gesammelten Motive werden im kreativen Prozess allerdings verwandelt, also etwa fragmentiert, vervielfacht oder gespiegelt. Sie lassen dabei ihre gegenständliche Bedeutung weitgehend hinter sich und werden schließlich mit autonomen Formen kombiniert