Zeit ohne Ende

Essays über Zeit, Frauen und Kino

von

‚Zeit ohne Ende‘ folgt einer leitmotivischen Vorstellung der Idee vom Unendlichen im Endlichen – ein romantisch klingender Ansatz. Er ist der Antrieb für die in drei Essays ausgeführten Überlegungen gewesen, in denen es um Strategien geht, sich dem Ablauf der Zeit zu widersetzen, ihn nicht anerkennen zu wollen, oder, ganz unromantisch, in ihm unterzugehen.
Zeitlosigkeit bedeutet, Zeit nicht vom Ende her und auch nicht als ewige Wiederkehr zu verstehen. In der modernen westlichen Gesellschaft, die vom Prinzip der linearen Zeit dominiert ist, ist Zeitlosigkeit zunächst durch ihren Gegensatz zur Finalität gekennzeichnet. Eine Folge davon ist der Widerspruch zur Ökonomie, denn final ausgerichtete Zeit ist knapp und muß sinnvoll verwendet werden, um das Ziel rechtzeitig zu erreichen. Daran schließt sich sofort die Moral an; Zeit soll nicht verschwendet werden, sonst ist sie irgendwann zerronnen, und am Ende steht kein Resultat, das ihren Verbrauch rechtfertigt.
Möchte man sich dem nicht unterordnen, was tun? Zeit verschwenden, nichts tun? Nein, denn Nichtstun kann effizient sein – man denke nur an das Power-Nap der höheren Angestellten. Unproduktivität widerspricht in viel stärkerem Maß den Forderungen der Finalität der Zeit. Unproduktive Tätigeiten führen ›zu nichts‹ und werden meist nicht entlohnt: Kunst, Hausarbeit, das Verfassen wissenschaftlicher Texte, z.B. auch ins Kino zu gehen, in Bars zu sitzen oder einzukaufen sind Aktivitäten, aber noch unproduktiver, für sie muß man bezahlen.
Strukturelle Kennzeichen von Unproduktivität sind Wiederholung, Reproduktion, Warten.
‚Zeit ohne Ende‘ verfolgt diese Strukturen im Kino und im Arbeitsleben. Eine zentrale Figur bildet dabei die Hausfrau: sie wiederholt, wartet, arbeitet, verbringt Zeit, aber die Ergebnisse von all dem haben nur unklare Konturen. Hausarbeit wird hier als repräsentativ aufgefaßt für viele Arten von Tätigkeiten, deren Produktivität zweifelhaft ist.
Aus dieser Perspektive kann man sich ins Kino begeben und schauen, in welcher Weise sich in einem nach wie vor ›nutzlosen‹ Medium Wiederholung, Warten und Finalität reflektieren. Dabei geht es um das Kino allgemein mit seiner ganzen Heterogenität filmischer Formen: Hollywood, Experimentalfilm, Autorenfilm … Die Filme, die in ‚Zeit ohne Ende‘ diskutiert werden, haben zwar ganz unterschiedliche Ausdrucksformen, aber als Gemeinsamkeit, daß sie uns nicht nur etwas über den Umgang mit Zeit mitteilen, sondern uns im Kino ihrer Zeit aussetzen.
In Jeanne Dielman sehen wir nicht nur, daß die Hausfrau kocht, sondern fühlen mit ihr das Vergehen der Zeit, während sie dies tut. In Out of the Past sehen wir nicht nur, daß der Held in Wiederholungsschleifen gefangen ist, sondern erfahren über unsere Wahrnehmung selbst die Verhinderung seines Fortkommens. Filme, deren Handlung keine Zukunft hat, die ›zu nichts führen‹, die kein Ende haben, zeigen dies nicht einfach, sondern beeinflussen mit ihren Strukturen die Zeitwahrnehmung der Zuschauer.