Zeitzeugen – Zeitdokumente

Im Namen des Führers begeistert, enttäuscht und missbraucht

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Anfang 1943, als Engländer und Amerikaner bereits begonnen hatten, neben den Rüstungszentren auch Wohngebiete mit einem Bombenhagel zu belegen, wurde der zehnjährige Heinz Meinert ge-meinsam mit seiner Mutter von Bochum nach Freiburg im Breisgau evakuiert. Wenige Wochen zu-vor hatte er die Pimpfenprüfung des Jungvolks bestanden und war nun stolz, Uniform und Fahr-tenmesser tragen zu dürfen. Die Begeisterung für die Hitlerjugend setzte sich in Freiburg fort, zumal der Sohn seiner Zimmerwirtin, gerade mal sechzehn Jahre alt geworden, bereits schon zu den Füh-rern des Jungvolks zählte und den Rang eines Hauptjungzugführers innehatte. Als dieser neben weiteren Führern mit siebzehn Jahren freiwillig zur Waffen SS eingezogen wurde, beförderte man Heinz zum jüngsten Jungenschaftsführer des dortigen Fähnleins. Durch seinen Einsatz im Jungvolk wurde bald die HJ- und Parteiführung auf ihn aufmerksam. Gemeinsam mit seinem Freund Erwin bestanden sie die Aufnahmeprüfung für eine der Ausleseschulen der Nazis. Von September 1944 bis zum bitteren Kriegsende besuchten sie eine der Adolf-Hitler-Schulen. Als zwölf- und dreizehnjährige begeisterte Pimpfe erlebten sie noch kurz die Kämpfe in Berlin inmitten einer Volkssturmeinheit. Schließlich brachte ein beherzter Unteroffizier der Wehrmacht sie über die letzte Elbbrücke von Tangermünde nach Westen – hin zu den Amerikanern; die sie nach einigen Wochen mit Hilfe der Engländer und Franzosen ihren Müttern in Freiburg überstellten. Zurück im zerstörten Bochum erkannte Heinz recht schnell, dass die Jugend im Allgemeinen – und insbesondere auch er selbst – von der Naziführung getäuscht und missbraucht worden war.