Zu den Akten

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Zu den Akten, 2010

„Wann bricht schon mal ein Staat zu- sammen!“ – Der Untergang der DDR-Diktatur ermöglicht seit zwei Jahrzehnten eine intensive und breite Forschungsarbeit, zu- weilen ist im Bezug auf die DDR- Ge- schichte gar von intellektueller Gold- gräberstimmung die Rede. Diese Forschungen stützen sich wesentlich auf Archiv- material, für dessen Aufbewahrung ver- schiedene Institutionen zuständig sind. Wie sehen diese Orte aus, an denen im staatlichen Auftrag die DDR archiviert wird? Im Gegensatz zur Erinnerungsarbeit, die über Gedenkstätten und Museen eine Verortung erfährt und darüber ein Bild anbietet von der DDR, ihrem Alltagsleben und ihren Denkmälern, der Mauer, der Stasi-Zentrale oder den Untersuchungshaft- anstalten, fehlt ein Bild von den Orten und Räumen, die existieren, weil die DDR existiert hat.

Die Arbeit „Zu den Akten“ zeigt Ansichten der Orte, an denen gesammelt, verwaltetet, archiviert, ausgewertet und geforscht wird: Unnahbar wirkender Zweckbauten, end- lose Flure und Regalreihen mit Kilometern von Akten, Filmrollen und Papier, gekenn- zeichnet, nummeriert und in säurefreien Kartons verstaut. Der fotografische Blick ist distanziert, sachlich und verweigert sich konsequent dem Versuch, sich auf die Spurensuche nach unerwarteten Fundstücken und Sammlungsgut zu geben, mehr zeigen zu wollen als geordnetes Papier in grauen Schachteln. Denn hier ist all das aufge- hoben und bewahrt, was die Basis bildet für die Interpretationen und Deutungs- weisen der Geschichte der DDR.

Über die visualisierte Ästhetik muten die Ansichten der der Öffentlichkeit unzugäng- lichen Orte geheimnisvoll und gleicher- maßen machtvoll an, ohne dabei etwas von ihrer Inhaltlichkeit preiszugeben. Das fotografische Ergebnis verweigert dem Betrachter (scheinbare) Teilhabe und ver- kehrt so das Prinzip, mit dem mediale Vermittlung zunehmend häufiger operiert, um interessensabhängige Meinungsbildung gezielt zu betreiben. Die Arbeit „Zu den Akten“ verweist auf die Grenzen der Visu- alisierbarkeit im Zeitalter der Bilder, ebenso wie auf die Abhängigkeit von Zeit und vorherrschenden Werten in einer Gesellschaft im Bezug auf die Auslegung und Deutungsweise von Geschichte.