Zwischen Normativität und Normalität

Theorie und Praxis der Anerkennung in interdisziplinärer Perspektive

Anerkennung ist ein vielschichtiges und verwirrendes Phänomen. Es spielt in unserem bewussten oder habituellen Alltagshandeln ebenso eine Rolle, wie wir ihm als Mittel des gesellschaftlichen Kampfes und in der Rechtspraxis begegnen. Anerkennungskonzepte sind sowohl aus den gegenwärtigen politischen Debatten um Migration und Leistungsgesellschaft als auch den philosophischen Diskursen um Identität, Alterität und Multikulturalismus kaum wegzudenken. Mit ihnen werden Prozesse der Subjektivierung und der Vergesellschaftung, der Identitätsbildung und der Gruppenkonstitution beschrieben. Anerkennung ist nicht nur Grundlage, sondern auch Inhalt gesetzlicher Regelungen; sie ermöglicht Normativität und konstituiert eine nicht selten davon abweichende gesellschaftliche Normalität. Die Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und gesellschaftlichen Bereichen beschäftigen sich mit der Theorie und Praxis der Anerkennung. Schwerpunkte liegen dabei auf der Geschichte des philosophischen Begriffes, auf theoretischen Neukonzeptionen und deren „Anwendung“ in der neoliberalen Arbeitswelt. Zudem stehen Räume der Anerkennung und ihrer Vergessenheit – wie Schwarzer Markt, Favelas – im Fokus der Betrachtung. Schließlich finden sich Aufsätze zum Körper „zwischen Fremdverfügung und Selbstbestimmung“ und zu historischen Kämpfen um Anerkennung bzw. der Anerkennung von historischen Verbrechen und Widerstandsleistungen während des Imperialismus, des Nationalsozialismus und der sozialistischen Diktatur.