Der letzte Satz. Anne Reineckes Debüt „Leinsee“

Leipzig, 16.03.2018 – litnity traf Anne Reinecke auf der Leipziger Buchmesse und sprach mit der Autorin über ihren ersten Roman „Leinsee“, der vor kurzem bei Diogenes erschien. Von Dörte Brilling

Der Stand von Diogenes liegt in Halle 4. Irgendwo da drin sitzt Anne Reinecke und nimmt Glückwünsche zum gelungenen Debüt entgegen, schreibt Widmungen in Bücher, die ihren Namen tragen und stellt sich für ein schnelles Handyfoto neben die eine oder andere begeisterte Bloggerin.

Auch ich gratuliere. Nicht, weil es sich gehört – das auch – nein, ich bin ehrlich beeindruckt. Von dieser zarten Geschichte und von der Schreibe, die so leicht und duftend daherkommt. Auf der Zugfahrt nach Leipzig las ich die letzten Kapitel, die so poetisch überschrieben sind mit „Puddinggelb“, „Grauseiden“ oder „Unsichtbar und Rot“.

Die Autorin erzählt, wie sie vor fünf Jahren mit der Arbeit an dem Buch begann. Es sei eine ganz bewusste Entscheidung gewesen. Sie suchte sich einen Job, der das Schreiben nebenbei möglich machte – als Stadtführerin – und fing an, die Geschichte zu entwerfen.

Ursprünglich hat Reinecke Kunstgeschichte studiert. Auch in „Leinsee“ geht es um einen jungen Künstler namens Karl, dessen Kunst darin besteht, Dinge zu vakuumieren. Darüber hinaus ist Karl der Sohn von Ada und August Stiegenhauer, des Glamourpaares der deutschen Kunstszene. Es scheint naheliegend, dass Reinecke einen Kontext gewählt hat, in dem sie sich sehr gut auskennt. Eine konkrete Vorlage habe es aber für keine der Figuren gegeben, stellt Reinecke fest. Sogar das Vakuumieren, mit dem Karl künstlerisch in „Leinsee“ Furore macht, entstammt dem Einfallsreichtum der Autorin.

Fast schüchtern erzählt die heute 39-Jährige, wie die Protagonisten ihres Buches immer mehr ein Gesicht bekamen. Dabei sei sie so ähnlich vorgegangen wie eine Schauspielerin, die ihre Rollen mit Leben erfüllt. Auf dem Tisch rückt Reinecke den Notizblock zum Haus hin, der Stift skizziert den Weg zum See, und das Atelier sei in ihrer Vorstellung links neben der Villa, beschreibt Reinecke den Schauplatz ihres Buches.

Denn „Leinsee“ ist nicht nur eine Künstlerbiografie, sondern auch eine Liebesgeschichte – zwischen Karl und der wesentlich jüngeren Tanja, die, als der Leser sie kennenlernt, nicht älter als acht Jahre ist. Über ein fiktives Jahrzehnt hin trifft der Leser die Beiden in „Leinsee“. Und wird Zeuge einer besonderen Beziehung, die sich über eine Art Seelenverwandschaft bis hin zu einer Liebe entfaltet, die alle Facetten einer Beziehung kennt: Verletzung, Trost, Provokation, Egoismus, Verbundenheit, Loslassen.

Das Ende und sogar den letzten Satz habe Reinecke beim Schreiben von Anfang an vor Augen gehabt.

Reineckes Stil beschrieb eine Rezensentin auf litnity.com als „sensibel“, fast zart. Bei den literarischen Bildern, die die Autorin zeichnet, scheint es, als füllte sie die Konturen der Handlung sehr behutsam, fast vorsichtig, und immer anders als erwartet aus. Es ist ein ungewöhnliches Debüt, fast perfekt. Das folgende Buch der Autorin wird sich daran messen müssen.

 

Weiterführende Links:

Zum Buch „Leinsee“ bei Diogenes

Zur Leseprobe „Leinsee“ von Anne Reinecke

Termine der Lesereise zu „Leinsee“

Zum lit:chat bei litnity

 

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