Robert Galbraith – Weisser Tod

Ich hatte ja so meine Zweifel. Und ich konnte sie verstehen. Joanne K. Rowling meine ich. Ich mag die Harry Potter-Bände, wirklich. Ich finde sie unglaublich phantasievoll, lebendig und hervorragend geschrieben. Aber der Hype darum geht mir nun schon seit geraumer Zeit auf den Nerv.
Als ich dann las, Frau Rowling hätte nun unter dem Pseudonym Robert Galbraith einen Krimi verfasst, dachte ich zuerst etwas eher unfreundliches, etwas in Richtung „auch das noch“. Und fast im selben Augenblick dachte ich, was soll sie auch sonst machen, damit die Leute ihre weiteren Bücher lesen ohne zu vergleichen? Da das Pseudonym ja aber schneller gelüftet war als man „Cormoran Strike“ sagen kann, war es eigentlich auch für die Katz. Oder eine Werbemasche, dann war es erfolgreich. Nichtsdestotrotz hätte ich über all diesen Überlegungen fast vergessen, dass Frau Rowling eines wirklich gut kann, nämlich spannende Geschichten erzählen. Und als mir das wieder einfiel, griff ich zum Buch…
Inzwischen habe ich gerade den vierten Band der Reihe gelesen. Und warte seitdem sehnsüchtig auf den fünften (nicht lachen!). Die Reihe um den Privatdetektiv Cormoran Strike und seine Assistentin Robin Ellacott ist ebenso spannend wie charmant. Besonders beeindruckend finde ich dabei, dass Frau Rowling eigentlich ausschließlich mit altbekannten Versatzstücken arbeitet: der eigenbrötlerische Privatdetektiv, seine attraktive rothaarige Partnerin, die Frage, ob sie nun ein Paar werden oder nicht. Obwohl man das alles kennt, hundertemal woanders gelesen hat, ist es keine Sekunde langweilig. Es sind Details, die den Unterschied machen: Strikes Beinprothese, die eben nicht irgendwie cool ist, sondern bei Belastung schmerzt, Robins Panikattacken, seit sie fast Opfer eines Serienmörders geworden wäre, Geldsorgen, seltsame Klienten – lebendige Charaktere eben und trotz der Schablonenhaftigkeit nicht hölzern. Ein modernisierte Version des klassischen Krimis, nahe an Elizabeth Georges Stil.
Auch, wenn die einzelnen Bände bzw Fälle abgeschlossen sind, würde ich chronologisches Lesen empfehlen, denn die Entwicklung des beständigen Personals ist fortlaufend und der Einstieg in den 4.Band z.B. wird leichter, wenn man weiß, was Strike dazu bringen konnte, unangemeldet in Robins Hochzeit zu platzen.
Wenn man also gut geschriebene Krimis mag, die nicht zielgerichtet kurz und knapp der Lösung zustreben, sondern ausufernd (ca 860 Seiten) den Fall von jeder möglichen Seite betrachten, die genug Raum haben für Privatbesuche bei den Ermittlern und ihrem Umfeld, dann dürfte man an dieser Reihe seinen Spass haben.
Da bisher jeder Band dicker war als der vorhergehende, bin ich übrigens sehr gespannt, welche Seitenzahl uns im fünften Band erwartet. Aber das nur am Rande…

Weisser Tod

Robert Galbraith
Deutsch von Wulf Bergner, Christoph Göhler und Kristof Kurz
erschienen am27.Dezember 2018 im Blanvalet Verlag
ISBN 978-3-7645-0698-8

Dieser Beitrag erschien zuerst auf http://fraulehmannliest.com

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