Heinrich Breloer „Brecht. Roman seines Lebens“

Brecht. Roman seines Lebens. So lautet der knappe Titel dieses 527-Seiten-Wälzers. 527 Seiten, das ist doch nicht viel, wird so mancher denken. Und dann noch unzählige Photos, das liest sich doch recht schnell. Irrtum. Das zieht sich wie die B4. Rechts ein Dorf und links ein Baum und immer geradeaus.
Zunächst muss man wissen, dass das Ganze ein Buch zum Film ist. Es gibt einen Film? Es gibt einen Film. Mit Burghart Klaußner als Brecht und Adele Neuhauser als Helene Weigel. Die beigefügten Bilder sind daher meist aus diesem Film, Originalphotos sind so gut wie nicht vorhanden. Die etwas unbeholfen eingefügten Erklärungen zu Drehbelangen hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht, aber vielleicht gehören die zu einem solchen Buch-Film-Konzept zwingend dazu, wer weiß?
Dann „Roman seines Lebens“, nicht Biographie. Breloer füllt seine Recherchelücken mit hättekönntewürde, geschrieben wie eine penible Inhaltsangabe des Films: „Augsburg, eine Gasse in der Nacht. Wir blicken auf eine hohe Mauer. Ein Lampion erscheint, wie ein Ton auf einer Notenlinie…“ (S.42)
Es geht um den „privaten“ Brecht, um den Menschen hinter der Fassade des Genies, weniger um seine Werke. Die werden natürlich genannt, größere Erfolge oder Niederlagen am Theater auch beschrieben, an der Recherche ist nichts auszusetzen, aber in erster Linie sind es die Beziehungen und Liebschaften, die rechts und links unserer Landstraße liegen, die den Autor angezogen haben müssen wie die Motte das Licht.
Und, was soll ich sagen? In der nächsten Zeit wird niemand den Namen Brecht nennen können, ohne dass es mich gewaltig schüttelt. Ein zudringlicher Widerling, egoistisch, narzistisch und gefühlskalt, dabei zum Ausgleich rücksichtslos, Herr der Besetzungscouch und lüstern über jede Jungschauspielerin herfallend. Aber nur so konnte er selbstverständlich das Beste aus den Damen herausholen. Aha.
Brechts Genie waren alle untertan, der hatte immer das hellste und größte Zimmer und ausreichend Platz für seinen Harem. Und so geben sich 527 Seiten lang die Bewunderinnen die Türklinke in die Hand. Dazwischen schreibt der Meister Stücke und huldigt dem Kommunismus. Lebt in seiner Theater- und Schlafzimmerblase und verpasst die tatsächlichen Ereignisse in der DDR. Waren nun aber auch nicht seine Probleme, der Brecht konnte ja ein- und ausreisen und seine Meinung ungestraft kundtun. Puh.
Ich bin mit Brechts Texten groß geworden. Vor allem mit der Dreigroschenoper und Mahagonny, aber natürlich auch mit der Courage oder der Heiligen Johanna. Sein episches Theater, sein Umgang mit der Sprache, seine Forderung, das Publikum selbst denken zu lassen, haben Großes und Großartiges auf den Theaterbühnen entstehen lassen.
Dem Menschen Brecht, wenn er denn Breloers Beschreibungen entsprochen hat und davon gehe ich doch weitestgehend aus, dem Menschen hätte ich nicht begegnen mögen. Der Autor Brecht hat die Theater gefüllt, der Mensch Brecht hat mich in seiner Vorhersehbarkeit geärgert und gelangweilt. Eine Liebelei und noch eine Liebelei, und das in Endlosschleife.
Oder wie er es selbst formuliert hat in der „Ballade von der sexuellen Hörigkeit“:

Da steht nun einer fast schon unterm Galgen
Der Kalk ist schon gekauft, ihn einzukalken.
Sein Leben hängt an einem brüch’gen Fädchen.
Und was hat er im Kopf, der Bursche? Mädchen!
Schon unterm Galgen, ist er noch bereit.
Das ist die sexuelle Hörigkeit.

Infos zum Buch:

Brecht
Heinrich Breloer
erschienen am 14.02.2019 im Verlag Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-05198-8

Dieser Beitrag erschien zuerst auf http://fraulehmannliest.com

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