500 Jahre Reformation – Wie konnte Rom das passieren?

der Ketzer besprochen von Piwi M. am 16. Februar 2018.

Bewertung: 5 Sterne

Es ist keine Überraschung, dass die Lutherliteratur anlässlich der 500 Jahr Feier der Reformation gerade explodierte. In der Begeisterung über die Lebensleistung Luthers ging allerdings ein durchaus interessanter Aspekt ein wenig unter: Wie konnte es der etablierten und mächtigen Instanz der Katholischen Kirche in Rom, vor der Kaiser und Könige regelmäßig die Knie beugten, die die große Politik ebenso beherrschte wie kleinliche Intrigen, passieren, dass ein Mönch aus der deutschen Provinz den Kampf aufnahm und am Ende sogar gewann? Und was hatte Luther zu bieten, damit sich ein nicht unbedeutender Teil der deutschen Fürstenelite hinter ihm versammelte?

Unter diesem spannenden Aspekt betrachtet Volker Reinhardt Leben und Wirken Martin Luthers. Konsequent nennt Reinhardt Luther provokativ den Ketzer.

Und das macht Reinhardt spannend, lesenswert und kenntnisreich. Aus vielerlei vatikanischen Quellen belegt er, dass und warum der Vatikan aus dessen Sicht auf Luther und seine Bewegung spät, unzureichend und auch falsch reagierte. Unterm Strich war es wohl eine Mischung aus Arroganz gegenüber einer Lehre aus der Provinz, Unaufmerksamkeit aufgrund von Nachfolgestreitigkeiten um den Papststuhl und schlichte Fehleinschätzungen bis hin zu Falschmeldungen der vom Vatikan gen Norden gesandten Problemlöser.

Ohne Nutzung einer ebenso breiten Quellenangabe legt Reinhardt dar, dass die Unterstützung deutscher Fürsten für Luthers Person und Lehren oftmals weniger religiösen Motiven entstammte als dynastischen und machtpolitischen.

Wunderbar sind die Zitate sowohl aus Rom als auch von Luther, die Reinhardt immer wieder einstreut. Da sieht der Leser: es ging verbal ganz schön zur Sache. Und auch der protestantische Leser muss zugeben, dass Luther hier und da doch ganz schön überzog. Auch er musste sicher wissen, dass eine Gleichsetzung des Papstes mit dem Teufel für Rom keine Gesprächsgrundlage sein konnte. Aber es war gute Öffentlichkeitsarbeit.

Trotz des Quellenbezugs legt Reinhardt kein wissenschaftliches Buch vor, sondern formuliert flüssig und nachvollziehbar auch für einen Leser, der bisher in den historischen Zusammenhängen nicht zu Hause war. Insgesamt also ein Buch, das auch nach Ausklang des Lutherjahres noch ins Regal gestellt werden kann, nachdem es gelesen wurde.

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