Der Verlierer gewinnt

Heirate nie in Monte Carlo | Graham Greene besprochen von Niamh O'Connor am 23. Mai 2018.

Bewertung: 5 Sterne

Heirate nie in Monte Carlodiesen Rat gibt der deutsche Titel von Graham Greenes Erzählung Loser Takes All, und während die meisten von uns erst gar nicht Gefahr laufen werden, sich das aussuchen zu können, findet sich Bertram, ein kleiner Buchhalter in einer britischen Firma, am Vorabend der Hochzeit mit seiner um 20 Jahre jüngeren Verlobten Cary auf dem Balkon einer großzügigen Suite des Hôtel de Paris in Monaco wieder. Zu verdanken hat er das Herbert Dreuther, einem der Bosse seiner Firma. Dreuther hat Bertram, obwohl er ihn zuvor nie auch nur wahrgenommen hatte, aus einer Laune heraus dazu eingeladen, seine bevorstehenden Flitterwochen auf seiner Yacht an der Côte d’Azure zu verbringen und ließ die Hochzeit kurzerhand ins Bürgermeisteramt des Fürstentums verlegen. Allerdings taucht der ‚Grand Old Man‘ nicht wie versprochen rechtzeitig auf, um als Trauzeuge zu fungieren, und die frisch Vermählten müssen, obwohl das ihre finanziellen Möglichkeiten bei weitem übersteigt, weiterhin im Luxushotel wohnen. Bertram hat  ein Talent für Zahlen, und da liegt es nahe, das Urlaubsbudget als Systemspieler am Roulette-Tisch aufzubessern. Zunächst verliert er, aber dann beginnt er zu gewinnen.

Meine MeinungHeirate nie in Monte Carlo klingt wie der Titel einer Hollywoodkomödie, und tatsächlich ist kurz nach Veröffentlichung der Erzählung im Jahr 1956 eine (allerdings britische) Verfilmung ins Kino gekommen. Das lässt darauf schließen, dass die Geschichte von vornherein fürs Kino bestimmt war. Ich habe den Film nie gesehen, aber der Trailer dazu verspricht eine temporeiche Story vor einer Bilderbuchkulisse, eine nicht allzu anspruchsvolle romantische Komödie mit witzigen Dialogen. Greene-Biograph Michael Shelden nennt das Buch ‚an undistinguished short novel‚ aber ’nicht besonders‘ ist bei einem Schriftsteller wie Graham Greene immer noch wesentlich besser als so manches, was andere in Buchform veröffentlichen. Der Autor selbst nannte seine Geschichte eine ‚frivolity‘, und das Frivole daran ist vermutlich, dass er sich einfach hingesetzt und zum Spaß eine Novelle geschrieben hat, in der er sich über die menschliche Natur im Allgemeinen und deren Umgang mit Geld im Besonderen lustig macht. Die Figuren sind dabei, wie in anderen Romanen des Autor, von einem Hauch von Tragik und Versagen umgeben. Cary hat ihre Eltern im Blitzkrieg verloren und ist bei einer Tante aufgewachsen, Bertram ist zwar ein Mathematikgenie, hat aber bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich und fristet sein Dasein in einer untergeordneten Position ohne Aussicht auf Beförderung, sodass er sich und seiner Braut nur eine bescheidene Hochzeit finanzieren kann. Dann kommt Mr. Dreuther und spielt Schicksal, ohne sich über die Konsequenzen seines Handelns auch nur die geringsten Gedanken zu machen. So wird aus der leichten Liebeskomödie ein typischer Graham Greene. Laut Shelden ist die Figur des Herbert Dreuther eine nicht böse gemeinte Karikatur des Filmroduzenten Alexander Korda, über den Greene sich schon zuvor immer wieder lustig gemacht hatte. Ein bisschen schade finde ich, dass die Figur der Cary sehr stereotyp dargestellt ist, aber das ist wohl dem Genre und der Zeit geschuldet und hat mein Vergnügen am Buch nicht beeinträchtigt. Ein unterhaltsames Lesevergnügen für einen entspannten Urlaubstag.

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