Zeitreise in die Zwischenkriegszeit

August Emmerich | Alex Beer besprochen von Niamh O'Connor am 9. Juni 2018.

Bewertung: 4 Sterne

Der aus dem Krieg mit einem Granatsplitter im Bein heimgekehrte Rayonsinspektor August Emmerich ist alles andere als erfreut, als ihm Ferdinand Winter, ein zartbesaiteter verarmter Adeliger, als Assistent zugeteilt wird, und er lässt den jungen Kollegen das auch spüren. Die beiden machen sich ohne großen Enthusiasmus daran, gegen einen Schwarzhändlerring zu ermitteln und entdecken dabei durch Zufall im Wienerwald die Leiche eines Kriegsheimkehrers, der davon geträumt hatte, nach Brasilien auszuwandern. Der Tote hat eine Schusswunde, die Pistole liegt daneben. Der Pathologe vermutet Selbstmord, aber Emmerich glaubt an Mord und ermittelt gegen die ausdrückliche Anordnung seines Vorgesetzten in diese Richtung weiter. Als eine zweite Leiche auftaucht und sich herausstellt, dass sich  beide  Männer kurz vor ihrem Tod getroffen hatten, sieht Emmerich den Fall als Chance, sich zu profilieren, und lässt nicht mehr locker.

‚Der Krieg hat einen langen Arm. Noch lange, nachdem er vorbei ist, holt er sich seine Opfer.‘

Dieses Zitat von Martin Kessel stellt Alex Beer dem ersten Krimi um August Emmerich voran. Im Juni war ich dabei, als die Schriftstellerin in einer kleinen Wiener Buchhandlung Die rote Frau vorstellte, den zweiten Fall des Ermittlerduos Emmerich/Winter. Den ersten Teil der Reihe, Der zweite Reiter, kannte ich damals noch nicht. Normalerweise ist es keine gute Idee, Buchserien in der falschen Reihenfolge zu lesen, aber ich war doch neugierig auf diesen ersten Fall, dem August Emmerich seine Beförderung vom einfachen Polizeiagenten in die Abteilung Leib und Leben verdankte. Die Hörbuchfassung wird in beiden Fällen von Cornelius Obonya präsentiert, und dieser Name war für mich ein weiteres starkes Argument dafür, herauszufinden, wie August Emmerichs Karriere bei der Polizei im Jahr 1919 beginnt.

Meine Meinung: Alex Beer erzählt Geschichten von Menschen, die der Krieg, ‚der zweite Reiter‚, schwer in Mitleidenschaft gezogen hat, und sie portraitiert Wien so, wie die Stadt als Folge dieses Krieges tatsächlich gewesen sein muss. Man merkt dem Roman die detaillierte Recherche an, und so wird der Krimi zu einer Zeitreise. Die Typen, die Alex Beer dabei zeigt, von Winters immer noch von Standesdünkel geleiteter Großmutter bis zu den Schleichhändlern und Betrügern, die aus dem Elend anderer Profit schlagen, sind zwar manchmal ein bisschen überzeichnet, aber ihre Stimmen sind authentisch. Die Rollen zwischen Gut und Böse sind dabei klar verteilt, auch wenn die Guten nicht notwendigerweise immer auf der Seite des Gesetzes stehen.

Auch Cornelius Obonya als Sprecher hat mich nicht enttäuscht. Anders als mit einem wienerischer Akzent möchte ich die Geschichte nicht erzählt bekommen, und der Schauspieler findet dabei für alle Figuren, die weiblichen eingeschlossen, den richtigen Ton und macht so die Lesung zu einem Hörspiel.

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