Reich und Schön

Meghan | Andrew Morton besprochen von Niamh O'Connor am 9. Juni 2018.

Bewertung: 3 Sterne

Der Autor von Meghan: Von Hollywood in den Buckingham-Palast. Ein modernes Märchen ist der britischen Journalist Andrew Morton, der 1992 mit Diana: Ihre wahre Geschichte einen Bestseller landete und seither zahlreiche andere Promis unter die nicht immer freundliche Lupe genommen hat, darunter Madonna, Monica Lewinsky, Tom Cruise und Angelina Jolie. Ausgewählt habe ich die Biographie aus mehreren Gründen: Erstens wollte ich in einer beruflich sehr stressigen Zeit ganz bewusst etwas weniger Anspruchsvolles lesen als zuletzt. Normalerweise greife ich in solchen Phasen zu einem Krimi, aber ich war so auf meine Arbeit konzentriert, dass ich einen komplizierten Plot sicher nicht durchblickt hätte.  Zweitens hat das Interview, das Meghan Markle und Prinz Harry der BBC aus Auslass ihrer Verlobung gaben, meine Sympathien für und mein Interesse an der amerikanischen Schauspielerin geweckt, von der ich bis vor wenigen Monaten noch nie etwas gehört hatte. Und drittens muss ich gestehen, dass ich eine Schwäche für die britischen Royals habe. Diese beginnt nicht mit den Windsors, sondern mit King Arthur, auch wenn es den vielleicht gar nicht gegeben hat.

Meinen politischen Überzeugungen folgend müsste die Monarchie sofort abgeschafft werden, aber das ändert nichts daran, dass ich die Lebensgeschichten der gekrönten Häupter durch die Jahrhunderte sehr spannend finde. Sehr oft hatten die persönlichen Befindlichkeiten, Vorlieben und Dramen der Mitglieder des britischen Königshauses direkten Einfluss auf die Politik des Landes oder sogar das Weltgeschehen. Das wird wohl bei Meghan Markle nicht der Fall sein, es sei denn, Donald Trump nimmt es ihr übel, dass er nicht zur Hochzeit eingeladen wurde. Aber eine Prinzessin unter vielen ist sie trotzdem nicht: Immerhin ist sie das erste Familienmitglied mit afroamerikanischen Wurzeln, und das ist ein großer Schritt in Richtung einer „farbenblinden“ Gesellschaft.

Andrew Morton trägt in seiner Biographie alle Details zusammen, die er über das Leben von Meghan Markle von der Geburt bis zur Eheschließung finden konnte. Sehr schnell wird klar, dass es keine Aschenputtelgeschichte ist. Meghans Vater Tom Markle gehörte zur ersten Liga der Beleuchtungstechniker in Hollywood, das finanzielle Auskommen der Familie war also gesichert, und das blieb auch nach der Scheidung von Meghans Eltern so. Sie besuchte zuerst teure Privatschulen und konnte später an die Universität gehen, ohne sich über Studiengebühren viele Gedanken machen zu müssen. Während sie noch versuchte, als Schauspielerin Karriere zu machen, hatte sie bereits genügend Geld zur Verfügung, um alle Welt zu bereisen, und auch ihr Freundeskreis bestand durchwegs aus Menschen ohne ernste Geldsorgen.

2010 startete sie einen Blog, The Working Actress, in dem sie anonym über das Leben einer Nachwuchsschauspielerin berichtete, und einige Jahre später hatte sie es mit ihrer Website The Tig geschafft, nicht nur sich selbst, sondern auch Produkte erfolgreich zu vermarken. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon eine der Hauptdarstellerinnen der Serie Suits und war damit karrieremäßig auf Erfolgskurs. Sie engagierte sich gemeinsam mit anderen prominenten Schauspielerinnen für die #HeForShe-Campaign der Vereinten Nationen und wurde in weiterer Folge Sonderbotschafterin der Hilfsorganisation World Vision Canada. Dann begegnete sie Prince Harry und das Märchen konnte beginnen.

Meine Meinung: Andrew Mortons Biographie ist ein typischer Schnellschuss. Morton hat eine große Anzahl an Informationen zusammengetragen, und schafft es, ein Bild zu liefern, das einigermaßen vollständig zu sein scheint. Man merkt dem Buch aber an, dass keine Zeit blieb, den Inhalt nochmals zu überarbeiten, Entbehrliches wegzulassen und manche Schlüsse noch einmal zu überdenken. Dadurch entstehen gelegentlich Widersprüche in diesen Schlussfolgerungen. Auch die Tatsache, dass sieben Übersetzerinnen gleichzeitig an der Übertragung ins Deutsche gearbeitet haben, ist ein deutlicher Hinweis auf die Eile bei der Veröffentlichung und trägt nicht zur Einheitlichkeit bei.

Die Biographie ist weder eine Lobeshymne auf Meghan Markle, noch wird Schmutzwäsche gewaschen, sie scheint daher einigermaßen ausgewogen in der Darstellung, aber es fehlt der große Bogen. Es ist so, als würde man verschiedene Zeitungsausschnitte zu einem Thema lesen, die zeitlich geordnet sind und einen inhaltlichen Bezug zueinander haben, die aber nicht genau aufeinander abgestimmt sind. Dennoch  bleibt die Geschichte aus mehreren Perspektiven interessant. Sie liefert in Schlaglichtern Eindrücke davon, welche Rolle die Hautfarbe im heutigen Amerika jenseits sozialer Barrieren spielt, zeichnet ein glaubwürdiges Bild davon, wie man es anstellen muss, um in Zeiten sozialer Medien als Filmschauspielerin Karriere zu machen, und bietet Einblicke in das Leben der jungen Royals. Die britische Königsfamilie ist Andrew Mortons Spezialgebiet, und seine Sympathien liegen bei Harry, wie sie auch bei seiner Mutter Prinzessin Diana gelegen waren. Er berichtet, wie Journalisten, die dem Paar weniger wohlwollend gegenüber standen, die beiden  persönlich und mit Falschmeldungen verfolgten, aber auch, wie das Leben von Reich und Schön zwischen Charity Events und Luxusurlauben aussieht. Das macht das Buch zu dem, weshalb ich es in die Hand genommen habe: einem netten Lesevergnügen für zwischendurch, nicht ganz frei von Kitsch, aber ohne übertriebene Schönfärberei.

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