Seghers WA

Werkausgabe Das erzählerische Werk II/1

von

Wie ein Sturzbach, sagte Anna Seghers später, seien die frühen Erzählungen aus ihr herausgebrochen. Zu den Zeugnissen dieser Zeit gehören die erst postum veröffentlichte „Legende“ vom Bischof, der zum Lustmörder wurde, und die Geschichte des Jungen Jans, der die Rückkehr ins Leben mit dem Tode bezahlt. Beide Texte, bisher in einer bearbeiteten Lesefassung erschienen, sind hier in ihrer Originalfassung wiedergegeben. Seghers setzte mit ihrem Frühwerk Signale eines unwiderruflichen Ausbruchs aus der bürgerlichen Normalität. Nach den in kunstvoller, dunkler Phantastik und in expressionistischer Dichte gehaltenen Geschichten findet Seghers in den 1930er Jahren zu radikal neuen Erzählformen. Sie entwickelt einen Erzählstil, der sich an filmischen Darstellungen orientiert, und sie setzt konsequent Gestaltungsformen der Moderne ein.

Immer wieder konzentriert sich Seghers auf Entscheidungssituationen, in denen sich der Einzelne bewähren muss. Waren die früheren Erzählungen Beispiele existentieller Extreme, geht es später um das gewöhnliche Leben, das im Anschluss an eine kämpfende Gemeinschaft Erfüllung findet.

Der Kommentar wertet die erhaltenen zeitgenössischen Materialien aus und kann sich dabei auf solche Raritäten stützen wie eine frühe handschriftliche Fassung zu „Grubetsch“ und ein Typoskript von „Die Ziegler“. Sie vermitteln einen seltenen Einblick in den Schreibprozess von Seghers.

Der Bandbearbeiter Peter Beicken ist Professor für deutsche Sprache, Literatur, Kultur und Film an der University of Maryland, College Park.

Der Band enthält die Erzählungen:

„Die Legende von der Reue des Bischofs Jehan d’Aigremont von St. Anne in Rouen“, „Jans muss sterben“, „Die Toten auf der Insel Djal“, „Grubetsch“, „Der letzte Mann der ›Höhle‹“, „Die Wellblech-Hütte“, „Die Ziegler“, „Bauern von Hruschowo“, „Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft“, „Marie geht in die Versammlung“, „Der Führerschein“ „Die Stoppuhr“.