Mareike Fallwickl, Dunkelgrün fast schwarz

Dunkelgrün fast Schwarz | Mareike Fallwickl besprochen von Hauke Harder am 21. März 2018.

Bewertung: 5 Sterne

Ein tiefgründiges und begeisterndes Debüt. Ein Roman, der dem Leser lichte Momente, aber auch die Schattenseiten des Lebens erhellt. Von einer dunklen Hoffnung wandert man ins fast Schwarze. Die zentrale Szene im Buch spielt sich auf einem Spielplatz ab. Hier tritt ein Kind ohne ersichtlichen Grund ein anderes. Dies war der auschlaggebende Moment für den Roman. Mareike Fallwickl hat dies so tatsächlich mal beobachten können, d.h. müssen. Diese Szene hat sie nicht mehr losgelassen. Daraufhin hat sie über die sogenannten „Arschlochkinder“ nachgedacht. Warum sind diese so? Woher kommt deren Verhalten? Sind die Eltern, die Erziehung oder das Umfeld schuld? Kann so etwas losgelöst von Erziehung und Elternhaus in dem entsprechenden Kind vorhanden sein? Was passiert, wenn diese kleinen Tyrannen erwachsen werden? Der Roman ist Mareike Fallwickls Versuch, fiktive Antworten auf diese Fragen zu geben.

Mareike Fallwickl ist in der Welt der Literatur keine Unbekannte. Sie schreibt Rezensionen und Zerrisse. Lange lesen Mareike Fallwickl und ich uns gegenseitig und wir mögen unsere Meinung und Buchtipps sehr. Daher war ich auf ihr Buch sehr gespannt und neugierig. Kann sie sich als sehr kritische Leserin auch als Autorin behaupten? Dies ist jetzt kurz und knapp zu beantworten: Ja, sie kann. Sie hat eine kluge und tiefsinnige Art zu schreiben, wie nebenbei entwirft sie die Szenerien und fesselt durch die tollen Charakterisierungen.

Der Roman handelt von drei Freunden: Raffael, Moritz und Johanna. Die drei verbindet ein Netz aus Liebe und Abhängigkeit. Der Roman beginnt in der Gegenwart aus der Sicht von Moritz, der mit seiner Frau, Kristin, ein Kind erwartet.  Dann springt die Handlung zurück in das Jahr 1986 und erzählt von Marie, der Mutter von Moritz. Sie sind gerade von Wien aufs Land, in ein einsames Bergdorf, gezogen. Drei Jahre bevor Alexander, der Vater von Moritz, seinen medizinischen Abschluss in Wien macht und nachkommt.

Der Verlauf der Handlung springt zwischen dem gegenwärtigen Erzählstrang der Protagonisten als Erwachsene und deren Tagen aus der Kindheit. 2017 taucht Raffael plötzlich wieder auf. Er tritt in das Leben von Moritz und Kristin, als wäre er nie weg gewesen und richtet sich mit der einen oder anderen Lüge häuslich bei ihnen ein. Kristin ist verwundert, denn Moritz hat bisher noch nie etwas von seinem damaligen besten Freund erzählt. Moritz und Raffael haben sich bereits im Kindergarten kennengelernt. Raffael ist schon als Kind sehr egozentrisch und selbstbezogen. Raffael ist es, der bestimmt und vorweg geht und Moritz ist der, der seinem Freund immer folgt. Doch dann tauchen die ersten Verletzungen auf. Auch der Vater von Raffael ist nicht richtig einzuschätzen. Er, der verheiratete Mann, nähert sich immer mehr Marie, Moritz Mutter, an. Was ist in der Familie los? Was lässt Raffael so sein? Doch alle schweigen, denn er hat einen besonderen Charme und stets ein entwaffnendes Lächeln… Über die Freundschaft zwischen Moritz und Raffael will Marie sich einerseits freuen, aber sie erkennt das Zerstörerische, das Gewaltvolle, das von Raffael ausgeht. In der Schule kommt Johanna dazu und erweitert das Band der Freundschaft. Um an Raffael heranzukommen, geht sie eine Beziehung mit Moritz ein und das Drama nimmt seinen Lauf. Sechzehn Jahre später holt die Vergangenheit sie ein. Alles Ungesagte bricht mit ungebremster Wucht hervor.

Mareike Fallwickl hat den Roman toll konstruiert. Jedes Bild ist gekonnt inszeniert und Stück für Stück baut sich das ganze Werk auf. Man taucht ein in ein Buch voller Verzweiflung, Vergeltung, Sehnsucht, Vergebung und Liebe. Wenn man bei dem Beispiel eines Bildes bleibt, kann man es fast impressionistisch nennen. In der darstellenden Kunst des Impressionismus wurden Schatten und Reflexionen je nach der Lichtwirkung farbig dargestellt. Objekte wurden allein durch verschiedene Farben auf der Leinwand fixiert. So ist nicht nur der Titel ein emotionales Spiel mit Farben, sondern auch im Text tauchen immer wieder Farben auf. Gerade die Wahrnehmungen der Charaktere und der Stimmungen tauchen im bestimmten Kolorit auf. Diese sogenannte Synästhesie ist Moritz zu Eigen und bereichert seine Rolle.

Ein packendes, großartiges Werk, das auf mehr von der Autorin hoffen lässt. Ein Roman über Freundschaft, Leidenschaft und Sanftheit.

zuerst besprochen im leseschatz.

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