Zwischen Recht und Gerechtigkeit …

besprochen von Inken am 7. Oktober 2017.

Bewertung: 3 Sterne

! Hierbei handelt es sich um die Rezension zum dritten Band einer Reihe !

Selbstjustiz – ein ebenso brisantes und interessantes Thema, geradzu perfekt für einen Krimi oder Thriller. Ähnlich hat Autor Tony Parsons gedacht und die Frage der Gerechtigkeit zum Thema des neuen Falls von Detective Max Wolfe. In London nimmt eine Gruppe Erwachsener das Gesetz in die eigene Hand, film ihre Taten und stellt diese online. Schon bald werden sie von der Öffentlichkeit gefeiert und zum „Club der Henker“ getauft. Sie töten den Abschaum der Gesellschaft – Mörder, Pädophile, Hassprediger, Junkies. Und nur Vollständigkeit halber möchte ich die Rechtfertigung des ersten Angeklagten zitieren:

Huren, sagte er. Billige Huren, die Schnaps und Drogen wollten. Schlampen, die sich selbst zur Schau stellten. Mädchen, die Männer mögen. Viele Männer. Typische Mädchen dieses Landes. (S. 14)

Man wird als Leser sofort in den Konflikt zwischen Recht und Gerechtigkeit  geworfen. Ja, ich wollte Mahmud Irani hängen sehen, weil es mir gerecht erscheint. Ich Recht bin ich deswegen nicht. Ich verurteile Selbstjustiz in jedem Fall aufs Schärfte. Gerade der Anfang von Wer Furcht sät war gut geschrieben, die Spannung dicht und die Thematik stürzte mich in den ersten Gewissenskonflikt. Nach diesem starken Anfang verflog die Euphorie jedoch. Das Thema Selbstjustiz wurde für meinen Geschmack zu oberflächlich behandelt, nahm viel zu wenig wirklichen Raum ein, um die Charaktere und mich als Leser wirklich in eine tiefer gehende Auseinandersetzung zu zwingen, zu hinterfragen, was ist Recht und Gesetz, was Gerechtigkeit? Und schon bin ich mit der Tür ins Haus gefallen …

… und mache direkt weiter: Auch die Charakter haben in Bezug auf das Thema viel zu wenig über ihre Handlungen nachgedacht und diese reflektiert. Es kam mir so vor als habe Tony Parsons auf Biegen und Brechen versucht, Detective Wolfe dazu zu bringen, am eigenen Leib zu erfahren, wie schmal der Grat zwischen der Ausübung von Recht und Gesetz und der Selbstjustiz ist – und das ist auf ganzer Länge misslungen, sei es nun die Gerichtsverhandlung im ersten Kapitel, bei der drei Jugendliche beinahe nur verwarnt werden, die einen Mann zu Tode prügelten oder die Tatsache, dass der Sohn von Max‘ Chefin durch eine Attacke in einem Club erblindet ist und der Täter straffrei davongekommen ist. Die Grundlage – die Ereignisse und die Konflikte waren ohne Frage da, wurden aber nicht aufgegriffen: Ist das Gleichgewicht zwischen  Verbrechen und Strafe gerechtfertigt und ausgeglichen?  Was spricht für und was gegen die Todesstrafe? Die Stimmung der Bevölkerung und der Politik deren Meinungen zu den Morden und dem Thema sind zudem vollkommen unter den Tisch gefallen.

Wenden wir unseren Blick nun den Ermittlern im Fall des „Clubs der Henker“ zu: Detective Max Wolfe wirkte auf mich in seinem privaten Leben sehr authentisch und liebenswert. Er ist eher ein Durchschnittstyp und ein allein erziehender Vater. Wie er mit seiner Tochter Scout umgegangen ist und sich darüber freute, dass sie beide das erste Schuljahr unbeschadet überstanden haben, war sehr süß und sympathisch. Ich hätte sehr gene mehr Vater-Tochter-Momente erlebt. Sobald Max jedoch in seiner Arbeitswelt als Ermittler auftritt, verblasst er gerade zu. Rückblickend kann ich noch nicht einmal sagen, was Max großartig zur Ermittlung beigetragen hat.

Um ihn herum wuselten gefühlt tausende Kollegen umher die mich schlichtweg einfach überforderten. Hier ein Kollege, dort eine Kollegin und hier eine Stimmenanalytekerin, die mir als einzige langfristig im Gedächtnis geblieben ist, dort der Rechtsmediziner, ein Psychologe, Historiker, PR-Agentin, und noch mehr Kollegen und Kolleginnen, die alle mehr oder weniger gleichzeitig im Ermittlungsraum herumstanden, angestrengt auf ihre Laptops starrten und praktisch nichts zu Tage förderten. Wurde da überhaupt ermittelt? Auch meine liebste Figur, Tara, die Stimmenanalytekerin hat nichts zur Aufklärung des Falls beigetragen. Sie war, so schien es mir, nur als kleiner Love Interest für zwischendurch eingeplant. Dabei war sie das Interessanteste am ganzen Buch.

Der Schreibstil war besonders zu Anfang sehr gewöhnungsbedürtig. Man merkt, dass Tony Parsons früher als Journalist gearbeitet hat. Er schreibt sehr kühl und distanziert, wenig detailliert, was entschieden dazu beigetragen hat, dass weder Charaktere noch Schauplätze wirklich hängen bleiben. Unterhaltsam, wissenswert und durchweg gelungen war die Einflechtung der zahlreichen Informationen zu Londons historischen und blutigen Vergangenheit in die Handlung des Buches.

Fazit: Wer Furcht sät arbeitet mit einer interessanten und brisanten Grundthematik, die jedoch nur oberflächlich behandelt wurde. Die Charaktere blieben unterstützt durch den kühlen distanzierten Schreibstil blass, die Handlung hatte mit einigen Logiklücken, nicht nachvollziehbaren Aktionen der Figuren und Ermittlungen zu kämpfen, die nicht voran kamen. Tony Parsons wird seinem eigenen Anspruch, einen Kriminalroman mit Herz, Gefühl, Lachen und Tränen, Spannung und Nervenkitzel zu schreiben, nicht gerecht. Es hapert dafür an zu vielen Ecken.

2,5 von 5 Sternen

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