Die Aula gehört in die Schule

Die Aula | Hermann Kant besprochen von Piwi M. am 9. Oktober 2017.

Bewertung: 5 Sterne

Robert Iswall ist Absolvent der Arbeiter und Bauern Fakultät Greifswald. Sie war in der jungen DDR eingerichtet worden, um eben Arbeitern und Bauern ein Studium zu ermöglichen. Nun soll sie geschlossen werden und Iswall wird eingeladen, beim Festakt zu diesem Anlass eine Rede zu halten.

Iswall, inzwischen Journalist und Kritiker, nimmt diese Aufgabe sehr ernst und blickt auf seine Zeit in Greifswald, seine Kommilitonen, letztlich den Neuanfang der sozialistischen Gesellschaft in der DDR nach dem Krieg zurück.

Kant weicht in seiner Darstellung den Konflikten nicht aus, die zwischen den individuellen Zielen der Studenten und den Ansprüchen des sozialistischen Kollektivs entstehen und spart auch das Thema der Republikflucht nicht aus, das er allerdings als menschliches Versagen darstellt. „Natürlich“ siegen am Ende die gemeinsamen Ideale des Kollektivs. Das ist sicher vorhersehbar und damit etwas langweilig, aber wohl unvermeidbar.

Indem Iswall parallel als Journalist den beruflichen Auftrag erhält, in Hamburg den Umgang mit den Opfern der Flutkatastrophe zu recherchieren, kann Kant auch die dunklen Seiten des Kapitalismus darstellen, so dass im Gesamtergebnis die Überlegenheit des Sozialismus im Innern und im Vergleich zum Westen festgestellt werden kann.

Was sich in dieser kurzen Darstellung nun etwas dröge anhört, wird durchaus unterhaltsam und trotz der verschiedenen Zeitebenen verständlich beschrieben. Insbesondere die persönlichen Entwicklungen der jungen Studenten im Kampf gegen die aufkommende sozialistische Bürokratie und die Versorgungslücken der 50er Jahre werden mit einem Schmunzeln beschrieben. Erfreulich, dass trotz des vorhersehbaren Sieges der sozialistischen Ideale innere Konflikte auf dem Weg dorthin nicht ignoriert werden. Dabei vermeidet Kant erfreulicherweise weitgehend den „Sozialismus-Sprech“, der den Unterhaltungsfaktor gänzlich ausgeschaltet hätte.

Wer ein bisschen besser die Anfänge der DDR verstehen will und nicht zur Fachliteratur greifen möchte, ist mit diesem Buch gut bedient.

Nicht verschwiegen werden darf an dieser Stelle die umstrittene Position des Autors in der DDR. Sein literarischer Erfolg bildete die Grundlage seines kulturpolitischen Einflusses in der DDR u.a. als Präsident des Schriftstellerverbandes. In dieser Funktion war er mitverantwortlich für die Aufrechterhaltung der offiziellen kulturpolitischen Auffassungen der DDR, die er auch durch das Mittel des Verbandsausschlusses gegenüber kritischen Schriftstellern durchzusetzen suchte.

Diese Kombination aus Buch und Autor sollte Anlass sein, die Aula wieder öfter im Schulunterricht zu betrachten, weil sie unter vielen verschiedenen Facetten eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR ermöglicht. Das kann im Fach Deutsch ebenso erfolgen wie in Geschichte, Sozialkunde oder Politik.

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