Lieber die anderen 8 lesen

Himmelhorn | Volker Klüpfel Michael Kobr besprochen von Piwi M. am 29. November 2017.

Bewertung: 5 Sterne

Achtung Spoileralarm. Diesmal geht es nicht ohne Bezug auf ein paar Inhalte des Buches.
Wer durchs Allgäu fährt, sieht nicht nur die schöne Landschaft, sondern auch einen besonderen Menschenschlag. Beides haben Klüpfel und Kobr in ihrer preisgekrönten Kluftinger – Reihe liebe- und humorvoll wiedergegeben,  wobei Hintergrund immer ein Kriminalfall bildet. Da ich das gerade als norddeutscher Zugereister mag, bin ich treuer Leser aller bisherigen 8 Bände.

Nun also Fall 9 Himmelhorn,  der ein aktuelles Bergunglück durch allgäuer Familiengeschichte mit einem ähnlichen aus den 30er Jahren verbindet.
Eigentlich ein schöner Plot in gewohnter Kluftinger Art. Aber genau da liegt das Problem. Es ist unterhaltsame Gewohnheit, dass Kluftinger ein guter Polizist und intelligenter Ermittler ist, aber sonst mit der modernen Welt seine Probleme hat. Inzwischen „passt“ dieses Szenario jedoch nicht mehr: da skyped er mit dem japanischen Vater seiner Schwiegertochter, spürt seinen untreuen Nachbarn per Handyortung auf und weiss gleichzeitig nicht was ein „Apple“ ist? Da ermittelt er die finanzielle Schieflage eines vor der Insolvenz stehenden Unternehmens und meint, Aktien des US-Unternehmens „Big Mäc“ am Sparkassenschalter kaufen zu können?
Parallel auch Unstimmigkeiten in seiner geliebten Heimatwelt: vor Jahren war er selbst guter Berggeher und will es jetzt noch einmal versuchen. Seitenlang erfahren wir in, wie die alte Ausrüstung zusammengesucht und der Rucksack mit Proviant gefüllt wird. Auf dem Berg sehen wir dann, dass vergessen wurde, Werkzeug und Verlängerungskabel aus dem Rucksack zu nehmen, so dass er zu schwerer Last wird. Wirklich ärgerlich nach episch langer Vorbereitungsbeschreibung.
Und der Fall? Nach 200 Seiten ist offiziell immer noch nicht klar, dass es kein Unfall war. Also beginnen erst sehr spät Ermittlungen. Erstes Indiz für einen Mordfall, an den lange nur Kluftinger glaubt, sollen tatsächlich Spatenspuren an einem Stein sein. Etwas weit hergeholt.
Aber bis wir an dieser Stelle angekommen sind,  packt Klufti eben seinen Rucksack,  lernt etwas über Aktien, schaut TV-Soaps und fährt Rad. Das ist zu laaaaaaaaaang. Zumal ergänzend sein ganzes Ermittlungsteam sonderbare Spleens entwickelt, die ohne jeden Handlungsfortschritt offenbar ebenfalls ausgebreitet werden müssen.
Und dann führt der Fall zielgerichtet und schön geschrieben eben in die 30 er,  um dann doch durch einen plötzlichen Informationsknall in ganz anderer Richtung zu enden. Wieso die schön aufgebaute Geschichte durch diese Wendung noch gedreht werden muss,  muss man nicht verstehen. Es ist hier dann eher effekthascherisch. Warum die tatsächlichen Täter trotz ständigen Zugangs zum Opfer eine immens komplizierte und längst nicht sichere Ausführung wählen, erschliesst sich nicht so recht. Ist aber auch egal,  weil diesmal der Fall wahrlich eine Nebenrolle einnimmt.
Nun ja. Es war eine schöne Zeit mit Kluftinger,  8 mal gut unterhalten. Nach dieser neunten Ausgabe,  die vieles wiederholt, in die Länge zieht und in sich auf nicht mehr stimmig ist, ist meine Reise ins Allgäu zumindest in Begleitung Kluftis zu Ende. Da noch ein paar Cliffhanger eingebaut sind, planen Klüpfel und Kobr sicher anders.

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