Mord ohne Mauerfall

Plan D | Simon Urban besprochen von Piwi M. am 10. Oktober 2017.

Bewertung: 5 Sterne

Spätestens seit „Vaterland“ von Robert Harris macht es Autoren Spaß, Romane zu verfassen, die in einer Zeit spielen, in der die Geschichte fiktiv einen anderen Verlauf genommen hat als es tatsächlich der Fall war. Harris schrieb vor dem Hintergrund, dass Hitlerdeutschland den Krieg gewonnen hätte.

Urban lässt in seinem Plan D die Wiedervereinigung scheitern, so dass in „seinem“ Jahr 2011 weiterhin zwei deutsche Staaten existieren: der Osten wird durch Egon Krenz geführt, der Westen durch die Regierung Lafontaine. Beide Staaten suchen vernünftige nachbarschaftliche politische und vor allem wirtschaftliche Beziehungen, an denen vor allem die DDR ein massives Interesse hat. Denn auch im Urban-Plot bleibt es dabei, dass die DDR im wirtschaftlich desolaten Zustand ist, während der Westen prosperiert.

Kurz vor Abschluss wichtiger neuer Wirtschaftsabkommen geschieht in der DDR ein Mord nach bekannten Stasi-Methoden, die weiterhin Bestand haben. Es ist klar, dass die öffentliche Meinung Westdeutschlands das Abkommen zu Gunsten der DDR kaum gutheißen kann, wenn gleichzeitig in der DDR staatlich organisierte Verbrechen durchgeführt werden. Es besteht daher ein gemeinsames Interesse an der Aufklärung des Mordes, so dass ein Team aus ost- und westdeutschen Ermittlern eingesetzt wird, um den Fall zu klären.

Da die Ermittlungen auf DDR-Gebiet durchgeführt werden, kann Urban eine Skizze zeichnen, wie sich das Land bis zum Jahr 2011 technisch, politisch und gesellschaftlich fortentwickelt hätte: was wird aus dem Leben im realen Sozialismus, dem Einfluss der Stasi oder auch dem Trabi? Urban hat hier ein paar schöne Ideen, die manchmal Kopfschütteln, manchmal Schmunzeln verursachen.

Da das Ermittlerteam aus „Ossis“ und „Wessis“ besteht, sind die Erläuterungen nicht nur für den Leser gedacht, also bemüht, sondern sinnvoller Teil des Romangeschehens. Dabei ist es Geschmacksache, ob man sich gewünscht hätte, etwas mehr Kriminalermittlungen zu bekommen oder etwas mehr „DDR 2011“. Ich hätte letzteres gut gefunden, muss aber zugeben, dass dies der schwierigere Teil des Romans gewesen sein dürfte. Denn da Urban mit dem Jahr 2011 noch relativ nah an der „Gegenwart“ schreibt und daher bekannte lebende Persönlichkeiten einbaut, kann er nicht so weit von der aktuellen Faktenlage abweichen, dass er seiner Phantasie freien Lauf lassen kann.

Bei den Mordermittlungen prallen Ost- und West-Denken zwar aufeinander, aber nicht so plump, dass der Westen dem Osten überlegen wäre. Mehr zu verraten wäre hinsichtlich der Spannung im Krimiteil unfair.

Mir hat es letztendlich gefallen, wenngleich Urban sich entscheidet, den Leser mit einem etwas beklemmenden Ende zu entlassen. Das ist zwar einerseits etwas schade. Auf den zweiten Blick führt das aber zur Erkenntnis, dass die Realität der Wiedervereinigung doch die bessere Entwicklung war als der Fortbestand zweier deutscher Staaten.

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