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  • Dörte Brilling veröffentlichte ein Update in der Gruppe Gruppenlogo von lit:chat zu dem Buch: "Stillleben" von Antonia Baumlit:chat zu dem Buch: "Stillleben" von Antonia Baum vor 5 Jahren, 11 Monaten

    Lektüre des 1. Abschnitts (Kapitel 1 bis 3)
    ***6. Mai bis 10. Mai***

    • Hallo an alle in die Runde! Einige von uns haben das Buch noch nicht bekommen bzw. sind noch nicht aus dem Urlaub zurück, wir werden also noch mehr!
      Trotzdem legen wir schon mal los mit den ersten drei Kapiteln. Wer etwas loswerden möchte (auch schon vor dem 10., denn ich werdet schnell merken, der Titel suggeriert zwar, dass es sich um einen Roman handelt, aber es ist keiner …, insofern kann man auch nichts vorweggreifen) kann das gerne an dieser Stelle (einfach ins Kommentarfeld schreiben) tun.
      Ich bin gespannt, wie ihr „in die Lektüre“ kommt!

      • Ich hätte mich fast nicht getraut das zu sagen, aber bei mir hat es ein wenig gedauert, bis ich sicher war, dass es bestimmt kein Roman mehr werden würde. Ich hatte diese Erwartung, weil das Buch wie ein Roman aufgemacht ist, der Beginn einfach so klingt („Danach gab es davor und danach.“) und Antonia Baum schon mit anderen Romanen Erfolg hatte (die ich nicht kenne, aber die Klappe verrät es ja). Ich frage mich, ob diese autobiographische Betrachtung des Mutterwerdens und Mutterseins noch romanhafte Züge bekommt und vom Verlag deshalb dieser Auftritt gewählt wurde? Da Antonia Baum hier schon einzigartig, scharf und auf den Punkt genau mit Sprache umgeht, kann ich mir gut vorstellen, mir als nächstes einen Roman von ihr zu besorgen. Ich bewundere jetzt schon ihre Beobachtungsgabe und ihre Ausdruckskraft.
        Bei der Lektüre dieses Buches brauche ich einen Stift, um mir wichtige Stellen anzustreichen! Seite 7: „Aber die Möglichkeit aufzustehen, mich nicht zuständig zu fühlen und weiterzugehen, diese Möglichkeit wollte ich für immer besitzen.“ Das sitzt! Oder Seite 9: „Es war so sauber und interessant, der Welt von dort aus dabei zuzusehen, wie sie sich täglich zerlegte.“ – Ich muss jetzt weiterlesen, habe das 3. Kapitel noch nicht durch.

    • Daß dies kein Roman ist, habe ich so ziemlich von Anfang an gemerkt. Die Autorin Antonia Baum erzählt, wie es ihr in der Großstadt mit ihrer Schwangerschaft ergeht, wie sie ihre Umwelt erlebt, wie sie sich selbst erlebt.
      Wenn man schwanger wird und dies bestätigt bekommt, dreht sich das Kopfkarussell, insbesondere, wenn es das erste Kind ist! Antonia findet sich schnell in einer Welt wieder, die nicht mehr die Berufswelt ist, in der alles nach Plan läuft, in der man auf einmal auf Welten trifft, die man vorher gar nicht wahrgenommen hat, in der man auf die Gebärmaschine reduziert wird, in der die Frau selbst verschwindet, in der Fragen auftauchen, auf die man nicht vorbereitet ist. Schwanger, mit Kind im Bauch, ändert sich das Leben, ob man will oder nicht.

    • Ich muss gestehen, nach dem ersten Kapitel hätte ich das Buch fast weggelegt. Die Befindlichkeiten einer Cappuccino-Mutter im falschen Viertel sind nichts, worüber ich länger diskutieren möchte. Aber weil ich Bücher selten weglege, durfte ich feststellen, dass der Text interessanter wird. Warm geworden bin ich jedoch noch nicht.

      • Das ging mir genau so. Sie ist eine privilegierte Person und lebt in einem Viertel mit Menschen, die das nicht sind. Unter ihren Nachbarinnen sind sicher viele Frauen, die weitaus weniger Wahlmöglichkeiten in ihrem Leben haben.

        Ich bin auch noch sehr unentschieden, ob mir das Buch zusagt.

        • Für mich ist es interessant zu sehen, in welcher Position sich Antonia befindet, und wie sie ihre Schwangerschaft und ihre Umgebung wahrnimmt, eben aus einer elitären Position.

    • Ja, also … wie sich einem Text nähern, wenn man es nicht so theoretisch machen möchte, denn auf diese Weise ließe sich ’ne Menge zu dem Buch sagen, denn hier wird immer schön reingegrätscht in irgendwelche Klischees, die die Autorin ja eigentlich auf’s Korn nehmen möchte, aber es irgendwie nicht tut oder nur halbherzig, sondern bedient, manchmal auf eine ganz oberflächliche Weise (das fällt mir vor allem bei den Themen auf, in denen ich mich gut auskenne), und da machen es Sätze wie … ich weiß, dass das frauenfeindlich ist und klischeehaftes Denken … als eine Art Entschuldigung? erst einmal auch nicht besser.

      Also versuche ich es mal „persönlich“. Was immer das heißen mag. Ich war 10 Jahre jünger (also 22 Jahre), als ich mein erstes Kind bekam. Zufällig auch in Berlin, ich wohnte damals in Berlin/Kreuzberg Nähe Cottbusser Tor. Mein Zuhause war eine WG, die ich mit einer Freundin teilte, mit der ich zusammen die Penne besuchte. Ich war mit Abstand die erste von uns, die ein Kind erwartete. Ich studierte damals, der Vater des Kindes lebte in einer anderen Stadt und wir führten eine On/Off-Beziehung. Das Kind, das in mir heranwuchs, war kein Kind, das eine Beziehung kitten sollten. Daran lag mir überhaupt nicht. Ich hatte eine sehr weise Frauenärztin in Berlin. Als ich zu ihr bin, meinte sie, ich müsse mir zwei Fragen bezüglich meiner Entscheidung, ob ich das Kind behalten will oder nicht stellen: Ist es okay, dass es von dem Mann ist, von dem es ist? Und: Würde ich es zur Not auch alleine machen? Letztere Frage ließe sich verlängen auf: … alleine machen können? Denn hier spielt ein soziales Netzwerk, finanzielle Mittel usw. ein Rolle. Die Antworten lauteten: Ja und ja und das Kind kam und ist heute bereits erwachsen.

      Die Entscheidung, Mutter zu werden, hatte ich bereits getroffen, als ich nicht verhütete. Ich denke, das hatte ich mit der Autorin gemeinsam. Die Entscheidung danach noch als eine ausstehende Entscheidung zu thematisieren, hat mich befremdet. Ich kann es mir nur so erklären: Vorher ist alles noch ganz klar, und dann halt nicht mehr. Oder anders: Und das soll die Beschreibung des Gemütszustands der Autorin auf keinen Fall bagatellisieren: aber der Stoffwechsel einer Schwangeren, auch der hormonelle, verändert sich komplett. Man ist empfindsamer, sensitiver, zeitweise depressiv, ängstlicher, stellt alles in Frage … Ich habe meine Schwangerschaft nicht so intensiv erlebt und schon gar nicht reflektiert wie die Autorin, aber ich kann mich noch sehr gut an eine Bahnfahrt durchs nächtliche Berlin erinnern: Ich hatte gerade den Film: „Romeo is bleeding“ im Kino geguckt. Unter diesem Eindruck, und dem, was ich da gesehen hatte (und das hatte ich 100%ig anders wahrgenommen als ich es im nichtschwangeren Zustand rezipiert hätte) kam mir diese Bahnfahrt nach Hause so bedrohlich vor! Ich hatte den Eindruck, ich würde Farben anders, viel greller, wahrnehmen. Details, die ich sonst nie bemerkt hatte, rückten plötzlich in den Fokus, Gerüche wurden intensiver … warum sollte das also nicht die Wahrnehmung generell in diesem Zustand betreffen?

      Ich möchte zurückkommen auf die beiden Fragen meiner Frauenärztin. Wenn eine Frau sagt, ja, zur Not würde ich es auch alleine machen, dann meint das genau das, nämlich dass sie ab sofort zuständig IST, und das eben zur Not auch alleine. („Aber die Möglichkeit aufzustehen, mich nicht zuständig zu fühlen und weiterzugehen, diese Möglichkeit wollte ich besitzen, für immer.“ Seite 7)

      Das hatte ich der Autorin voraus, weil mir die richtigen Fragen gestellt wurden. Es hätte sein können, dass die Autorin, ohne ihr nahetreten zu wollen, vielleicht gesagt hätte, nee, alleine mache ich es nicht. Ich will meinen Freund dabei haben. Ich will es nur mit allem Drum und Dran.

      Was ich allerdings auch nicht wusste, war, ob ich die Mutter bin, die ich dann wurde oder die ich sein sollte oder was so von mir erwartet würde, wie ich zu sein habe oder ob alles irgendwie am Ende vermengt sein würde … eigene Vorstellungen und die der anderen …

      Aber diese Debatte, falls es sie zu meiner Zeit schon gab, ist weitgehend an mir vorbeigegangen. Ich hatte keinerlei Erwartungen an mich als Mutter. Ich war neugierig, wie ich sein würde. Im Nachhinein stellt sich das als gut heraus. Denn dieses „Tue ich das Richtige?“ bzw. wohlmöglich zu bereuen, was sich nicht mehr ändern lässt, das war alles nicht in meinem Kopf. Blauäugigkeit? Vielleicht. Vielleicht aber auch Angstlosigkeit, Leichtigkeit, Schwierigkeiten gab es gar nicht in meinen Kosmos. Auch keine eventuellen. „Du bist, was du denkst.“, das hatte ich mal irgendwo gelesen, ich weiß leider nicht mehr, von wem das ist, aber ich denke, das war der Grund, warum es so einfach war … und blieb. Das Kind, um das es geht, habe ich ohne seinen Vater groß gezogen, was ein ganz entscheidender Umstand, die Leichtigkeit betreffend, war.

      Was ich sehr an diesem Text mag, ist das Unfertige, das eben zu keiner Zeit sagt, es wäre fertig, das sehr Persönliche, das Authentische, das Menschliche, weil auch manchmal zu einfach dahingesagt, zu sehr drüber gebügelt, aber das macht man ja selbst auch, deswegen kommt es einem am Ende doch so vor, als unterhielte man sich mit seiner besten Freundin. Die es einem übrigens auch nicht übel nehmen würde, wenn man ihr sagte: Du bist eine verwöhnte, privilegierte, oberflächliche Spießerin. Aber auch das wäre eben nur die halbe Wahrheit …

    • Auch, wenn ich mir mit dem Stil von Antonia Baum ab und an schwer tue und sie aus ihrer sehr subjektiven Warte schreibt, wirft sie interessante Fragen auf: – woher kommt der Druck aus dem Umfeld, der Gesellschaft, ein Kind haben zu wollen/zu müssen; – warum ist das Thema Mutterschaft ein Extremistenthema“, d.h. warum können Frauen untereinander nicht freier damit umgehen, wenn andere Frauen einen anderen Weg wählen; – warum entsteht für sie mit dem Zeitpunkt der Schwangerschaft ein Gefühl, dass „draußen“ die Welt ohne sie weiter geht und sie nun „drinnen“ in einer anderen Welt ist.
      Diese Fragen finde ich sehr interessant. Was Antonia Baum beschreibt, deckt sich zum Teil mit meiner Erfahrungswelt. Nachdem ich verheiratet war, wurden mein Mann und ich immer wieder gefragt, wann es denn mit Kindern endlich „soweit“ sei. Auf die Idee, zu fragen, ob wir denn überhaupt Kinder haben wollen, ist so gut wie keiner gekommen. Das entspricht genau dem, was sie mit dem Erwartungsdruck beschreibt.

      • Meine Schwester hat sich immer Kinder gewünscht. Leider war es bei ihr nicht möglich. Da ihre wirtschaftliche Situation, auch mit Ehemann, nicht den Vorstellungen der Behörden entsprach, mußte sie auch den Traum, eine Pflegekind zu übernehmen, aufgeben.

    • Guten Morgen …um ehrlich zu sein habe ich mich über die Polarisierungen in „Stillleben“ ziemlich geärgert. Klar ist das Thema Mutterwerden, -sein, Familie und Beruf eines der polarisierenden Themen der Gesellschaft. Aber ich wundere mich echt darüber, dass dies teilweise offentlichlich als persönliche Beleidigung seitens der Autorin gewertet wird.
      Ich find’s auch nicht gerade angebracht, dass sie sich als Opfer einer Gesellschaft beschreibt, in der Frauen ohne Kinder nichts zählen, denn oftmals sind es auch geraded wir Mütter, die, weil wlir Kinder haben, karrieremäßig an eine gläserne Decke stoßen …

    • Ich habe permanent den Kopf geschüttelt. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man sich so wenig über ein Kind freuen kann. Bzw,sich so einem, ja schon eher Leistungsdruck aussetzen kann. Aber Antonia Baum oder wenn Sie nicht selbst über sich spricht, eben diese Hauptperson, ist ja nicht ich. Und ich hätte mich geärgert wenn ich das Buch gekauft hätte. Dieser Sachbuchartigeschreibstil, gefällt mir gut. Und es gibt auch Abschnitte die haben mir richtig gut gefallen…(Seite 31…,aber sie führten auch dazu, dass ich umso genauer verstand,) oder (Seite 41…Wenn ich lief, fiel mir vor allem auf,….). Aber ist es notwendig, alles an anderen oder deren Erwartungen fest zu machen? Ich bin, ob als Mutter oder als Frau doch individuell. Ich glaube, erst wenn wir diese Zweifel hegen, machen wir uns dazu, was hier so negativ (wie ich empfinde) beschrieben wird.

    • Als ich den Titel „Stillleben“ und diese Unterschrift „Ein Kind bedeutet auch den Wettlauf um das gute, das bessere Leben“ las, hatte ich erstmal Bedenken, daß ich mich durch einen zum-Kinder-kriegen-bekehrenden Roman schleppen muß, aber nö, das geht dann doch eher düster los, und Frau Baum denkt und zweifelt und springt und spinnt, regt sich auf, erstarrt, reflektiert, verwirft, erinnert sich und sucht, und sie erzählt das alles so offen und flüssig, also, ich hatte die ersten 3 Kapitel echt Spaß beim Lesen, konnte alles sehr gut nachvollziehen und mitfühlen und habe auch den einen oder anderen Gedankenanstoß bekommen. Und jetzt weiß ich auch, wie der besagte Untertitel „Ein Kind bedeutet…“ gemeint war. Bis hierhin schon mal sehr cooles Buch! 🙂